Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
ist mit Ihnen, meine Liebe?«
»Ich weiß es selbst nicht«, erwiderte Estella kläglich. »Ich wollte doch nur meinen Mann zu einem Picknick einladen und ihm sagen, dass ich ... wir erwarten unser erstes Kind, und ... und nun kann ich sein Büro nicht finden. Es tut mir Leid ...«
»Schon gut. Mir ist es bei jedem meiner fünf Sprösslinge genauso gegangen. Zum Glück sind sie inzwischen erwachsen!«
Estella versuchte vergeblich, sich ihr Gegenüber als zärtliche Mutter vorzustellen.
In diesem Moment betrat ein Mann in mittleren Jahren das Büro und zog seine Jacke aus. »Ist schon ziemlich warm draußen«, meinte er und wandte sich dem Schreibtisch zu. Als er die schluchzende Estella sah, fragte er seine Sekretärin mit einem verwunderten Blick: »Ist etwas passiert, Edwina?«
»Nein, Mr. Cook. Mrs. Lawford geht es sicher gleich wieder besser. Sie sucht ihren Mann und hat sich in der Tür geirrt.«
»Aber ich war sicher, dass es hier ist«, beharrte Estella. »Ich bin hier doch im Edmund-Foley-Gebäude, nicht wahr?«
»Ja, allerdings.«
»Und an der Tür steht die Nummer sechs, also muss das hier das Büro meines Mannes sein.«
»Wir sind jetzt seit ungefähr einem Monat hier, Mrs. ... Lawford, nicht wahr?«, fragte Mr. Cook.
Estella nickte.
»Ah, dann ist Ihr Mann sicher James Lawford, der Anwalt?«
»Genau.« Estellas Miene hellte sich auf. Also war sie doch nicht dabei, den Verstand zu verlieren!
»Das hier war früher sein Büro. Ich hatte meines direkt gegenüber, bevor ich hier eingezogen bin.«
»Oh. Und wo ist mein Mann jetzt, Mr. Cook? Haben Sie die Büros getauscht?«
Mr. Cook schien sich plötzlich nicht mehr wohl in seiner Haut zu fühlen. »Nein, Mrs. Lawford. Ihr Mann hat hier kein Büro mehr.«
Verwirrt fragte Estella: »Wollen Sie damit sagen, er hat sein Büro in ein anderes Gebäude verlegt?«
»Das nehme ich an.«
»Aber warum?«
Brian Cook fühlte sich immer unbehaglicher; außerdem tat Estella ihm Leid. »Ich glaube, es war eine ... nun ja, geschäftliche Entscheidung.«
»Oh.« Estella nahm an, dass James ein größeres, besseres Büro gefunden hatte. Er hatte des Öfteren davon gesprochen, dass er gern in größeren und moderneren Räumen arbeiten würde. »Sie wissen nicht zufällig, wo sich sein neues Büro befindet, Mr. Cook?«
»Ich fürchte, er hat keine Adresse hinterlassen, Mrs. Lawford.« Nur unbezahlte Rechnungen, fügte er in Gedanken hinzu. Brian Cook sah Estella ihr Befremden deutlich an. Er warf einen Blick auf den Picknickkorb in ihrer Hand, und seine Haltung wurde freundlicher. »Vielleicht hat er es Ihnen ja erzählt, und Sie haben es bloß vergessen? Auch ich vergesse ständig irgendetwas.«
»Ich glaube kaum, dass ich etwas so Wichtiges vergessen würde, aber Sie haben Recht ... mein Arzt hat mir eben erst gesagt, dass so etwas in meinem Zustand normal ist.«
Brian Cook warf Edwina einen fragenden Blick zu, und diese sagte leise: »Sie erwartet ein Kind!«
Estella blickte Mr. Cook an und begriff allmählich, dass er sich bemühte, ihr weitere Peinlichkeiten zu ersparen. Doch es war zu spät – sie hatte sich in ihrem Leben noch nie so gedemütigt gefühlt. »Ich komme mir schrecklich albern vor. Tut mir Leid, dass ich Sie gestört habe.«
»Sie haben uns nicht gestört, Mrs. Lawford«, sagte Mr. Cook und geleitete sie bis auf den Korridor.
»Wann haben Sie dieses Büro übernommen, sagten Sie?«, fragte Estella leise und versuchte fieberhaft, den Aussagen Mr. Cooks einen Sinn zu entnehmen.
Cook steckte den Kopf ins Büro, um seine Sekretärin zu fragen. »Es ist sogar schon mehr als einen Monat her, nicht wahr, Edwina?«
»Morgen sind es fünf Wochen«, erwiderte die Sekretärin ein wenig ungehalten, da sie sich gerade einen Bissen Cornedbeef-Sandwich in den Mund geschoben hatte.
Verwirrt und ratlos wandte Estella sich zum Gehen.
Draußen, im hellen Sonnenlicht, blieb sie stehen und las die in Stein gemeißelte Inschrift über dem Hauptportal des Gebäudes: EDMUND FOLEY 1785. Sie hatte zwar nicht an den Worten Mr. Cooks gezweifelt, musste sich trotzdem aber noch einmal vergewissern, dass sie keinen Fehler gemacht hatte. James schien wirklich das Büro gewechselt zu haben, aber warum hatte er ihr nichts davon gesagt? Jeden Morgen machte er sich um die gleiche Zeit auf den Weg zur Arbeit, und jeden Abend kam er zwischen sechs und sieben Uhr zurück, je nachdem, wie viele Mandanten er gehabt hatte. Meist war er dann müde und ging nach dem
Weitere Kostenlose Bücher