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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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geboren werden, wissen sie alles und nichts. Kaum sind sie geboren, bewegen sie sich rasch vorwärts oder glauben es jedenfalls.
    – Die Freiheitsstatue bewegt sich, Mann!
    Das hatte der Mann im Flugzeug gesagt – vielleicht das Einzige, das Alan relevant oder aufschlussreich vorgekommen war. Der Typ war kurz vorher in New York gewesen, hatte Ellis Island besucht.
    – Jeder denkt, die Statue steht still, aber sie ist mitten im Schritt!
    Der Mann spuckte. Er merkte es nicht, oder es war ihm egal.
    – Als ich sie leibhaftig gesehen hab, hat mich das umgehauen. Sehen Sie selbst nach, wenn Sie das nächste Mal da sind. Ehrlich, kein Scheiß, die geht vorwärts, das Gewand schwingt, die Sandalen sind richtig gebogen und alles, als wollte sie den Ozean überqueren, zurück nach Frankreich gehen. Hat mich umgehauen.
    Nach ein paar Runden Poker wollte Alan nur noch weg. Er war im Zelt, das dunkel war und zunehmend nach Menschen und ihren Dingen roch, während draußen, kaum fünfzig Schritte entfernt, das Rote Meer war.
    – So, ich geh dann mal los, sagte er.
    Sie erhoben keinen Einwand. Er stand auf und strebte auf die Zelttür zu.
    – Ich geh da lang, sagte er und deutete nach Norden, also wenn ihr den König seht, sucht mich da. Er lächelte, und die jungen Leute lächelten, und er wusste, dass sie ihn als nutzlos betrachteten, und er ging.
    Draußen vor dem Zelt blickte er hoch zu dem rosa Apartmenthaus und sah eine Silhouette am Fenster. Er glaubte es zunächst nicht. Aber es war eine menschliche Form und sie bewegte sich an einem Fenster im vierten Stock. Dann eine weitere Form. Dann waren sie verschwunden.
    Ihm kam der Gedanke, dass er zu dem Gebäude gehen, einen Weg hineinfinden und auf Stimmen lauschen könnte. Er dachte nicht weiter darüber nach. Er ging um das Gebäude herum und wäre fast in eine Grube gefallen. Sie war so groß wie ein Steinbruch – bestimmt viertausend Quadratmeter. Offenbar hatte man ein Fundament für einen Bau ausgehoben, der neben dem Florida-Apartmenthaus stehen sollte. Die Grube war etwa fünfzehn Meter tief, und sie wäre beinahe sein Grab geworden.
    Es gab Gitterrahmen für Pfeiler, riesige Rohre und Leitungen, die irgendwann Wasser und Wärme transportieren würden. Es gab eine provisorische Treppe aus Holz und Lehm. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund beschloss er, nach unten zu gehen. Je tiefer er kam, desto kühler wurde die Luft. Es war herrlich. Alle drei Meter, also wohl mit jedem Stockwerk, fiel die Temperatur um gut 5 Grad. Er ging weiter, bis er ganz unten ankam, wo die Luft richtig anständig war. Der Boden bestand aus Zement, doch stellenweise lagen Erd- und Sandhaufen herum. In einer Ecke des Fundaments fand er einen einfachen Plastikstuhl. Er schien wie gemacht für ihn, für ihn in diesem Augenblick, also setzte er sich darauf. Er saß auf einem Plastikstuhl auf dem Boden eines Fundaments in der Stadt am Roten Meer, und die Luft war kühl, und die Farbe von allem war grau, und er war höchst zufrieden.
    Er saß da und starrte die Betonwand an.
    Er lauschte auf sein eigenes Atmen.
    Er versuchte, an nichts zu denken.
    – Ich verzeih dir, sagte Charlie Fallon.
    Er sagte es viele Male. Er verzieh Alan, dass er Annette beim Auszug geholfen hatte. Sie hatten sich zu oft gestritten, und Charlie hatte ihr gedroht, sagte Annette. Alan musste sich jeden Tag irgendwas in der Art anhören, von beiden Seiten. Er wurde nicht daraus schlau. Doch als Annette beschloss zu gehen, an einem Wochenende, an dem Charlie verreist war, bat sie Alan um Hilfe, und er half ihr. Er half ihr, fast das gesamte Haus zu leeren.
    Am nächsten Tag rief Charlie an. – Die Irre hat unseren ganzen Kram mitgenommen.
    Alan fuhr hin, ging durchs Haus. Es sah aus, als hätte ein starker Wind das Inventar weggefegt und nur Papier, Klebebandrollen, ein paar Kissen zurückgelassen.
    – Eines muss ich ihr lassen, sagte Charlie. Damit hab ich nicht gerechnet. Nicht zu glauben, wie tüchtig sie war. Ich bin einen Tag weg, und das Haus wird leer geräumt. Sie ist ein verdammt gerissenes Weib, war sie schon immer.
    Charlie wusste nicht, dass Alan mitgeholfen hatte, und Alan wusste nicht, wie er es ihm am besten beibringen sollte. Deshalb sagte er erst mal nichts. Was würde das auch nützen?
    Irgendwann kam er dahinter. Annette hatte es ihm vermutlich erzählt. Charlie war eine Zeit lang sauer. Aber dann sagte er, er könnte es verstehen und dass er Alan verziehen hätte.
    – Sie hat Macht über schwache

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