Ein Hologramm für den König
Tierlaut und wandte den Kopf in die Richtung. Auf der niedrigen Wand des Raumes, in dem sie saßen, hatte sich eine Katze niedergelassen, die aussah wie tausend Jahre alt. Ihr linkes Auge war trüb, und aus ihrem Unterkiefer ragte ein Zahn aus dem Maul nach oben, ein umgedrehter Reißzahn. Es schien unvorstellbar, dass so eine Kreatur noch einen Tag länger überleben würde. Yousef rief dem Kellner barsch etwas zu, worauf der mit einem kleinen Besen ankam und die Katze über eine weitere Wand und in eine Gasse scheuchte.
Yousefs Handy vibrierte. Seine Daumen machten sich an die Arbeit.
– Meine Freundin, sagte er.
Alan blickte bei Yousefs Frauen nicht ganz durch und sagte es ihm.
– Ich erklär’s Ihnen, sagte Yousef.
Er war mit einer jungen Frau, Amina, verlobt gewesen, die er schon als Teenager gekannt hatte. Als sie Aminas Eltern ihre Absichten unterbreiteten, verweigerte ihr Vater seine Einwilligung in die Heirat. Yousef hatte schlechte Karten: Er stammte aus einer Beduinenfamilie, und für einige Saudis aus der Oberschicht war das inakzeptabel. Die halten uns für Wilde, erklärte Yousef. Sein Vater war Ladenbesitzer, ein ungebildeter Mann vom Lande. Dass er es zu was gebracht hatte – er hatte viele Millionen Dinar verdient, sagte Yousef, und hatte in seinem Heimatdorf ein großes Anwesen errichtet, für dessen Bau er extra einen Berggipfel hatte einebnen lassen –, zählte nicht.
– Und damit war die Sache erledigt?
Die Möglichkeiten überschlugen sich in Alans Kopf: Hätten sie nicht einfach das Land verlassen können? Ausreißen und heimlich woanders heiraten?
– Wir konnten nichts machen. Aber es ist in Ordnung. Ich denke nicht mehr so viel an sie. Außerdem haben meine Eltern jemand anders für mich gefunden.
Die Frau, die sie ausgesucht hatten, Dschamila, war umwerfend, erklärte Yousef, die schönste Frau, die er je gesehen hatte, und plötzlich gehörte sie ihm. Sie wurden einige Monate später verheiratet, doch so gern er sie auch anschaute, so gern er zusah, wenn sie durchs Zimmer ging, sie passten überhaupt nicht zusammen.
– Dumm wie eine Ziege.
Ein Jahr später wurden sie geschieden, und er war wieder Single.
– Ich habe mit Frauen immer nur Dramen erlebt. Aber nicht mit Nour.
Nour war seine Freundin, sofern dergleichen zulässig war. Sie war ein bisschen jünger, dreiundzwanzig, Studentin. Sie hatten sich im Internet kennengelernt.
– Sie ist so genial. Macht mir jeden Tag Druck. Und sie stammt vom Propheten Mohammed ab. Ehrlich, ich schwöre.
Es lief richtig gut mit Nour, sagte er, und die zwei waren schon dabei, einen Plan auszuhecken, wie sie ihren jeweiligen Eltern am besten beibrachten, dass sie heiraten wollten, als er die ersten SMS von seiner Exfrau Dschamila erhielt. Sie war jetzt mit einem reichen Mann in den Vierzigern verheiratet, den Yousef im Verdacht hatte, ein internationaler Swinger zu sein, aber von der extremen Sorte.
– Der fliegt nach Europa und hat Sex mit Jungen.
– Er ist schwul?, fragte Alan.
– Schwul? Nein. Glauben Sie, das bedeutet, er ist schwul?
Alan war nicht wach genug, um auf diese Nebenfrage einzugehen, also beließ er es dabei.
Das Essen kam. Teller mit gehackten Salatblättern und Gurken und Tomaten, braunem Reis, chobez – ein Brot ähnlich wie Naan – und dann der Fisch. Yousef bediente sich mit den Fingern. – Syadya, sagte er. Der Fisch war frittiert worden, aber ansonsten war es derselbe Fisch, den sie unter der Scheibe gesehen hatten, samt Augen und Gräten und allem. Alan riss etwas Brot ab und zupfte ein Stück von dem Fisch. Er nahm einen Bissen.
– Gut?, fragte Yousef.
– Perfekt. Danke.
– Wenn man was brät, egal was, dann schmeckt’s.
Die Katze tauchte wieder auf. Yousef trat mit dem Fuß nach dem blinden, alten Tier, und es miaute empört. Es huschte davon.
– Mittlerweile simst sie mir zehnmal am Tag. Manche von den SMS sind total langweilig, wie, »Was machst du gerade?«, bla, bla. Und manche sind, na ja, richtig sexy. Ich wünschte, ich könnte Ihnen welche zeigen.
Yousef sah seine SMS durch, und Alan merkte, dass er gern die sexy SMS von der gelangweilten saudischen Hausfrau sehen würde.
– Aber ich muss sie sofort löschen, sobald ich sie bekomme.
Dschamila konnte praktisch für jede Minute ihrer Ehe nachweisen, wo sie gewesen war, und ihr Mann hatte die SMS selbst nicht gelesen, aber sein Misstrauen war dennoch ungezügelt.
– Wenn er sie gelesen hätte, sagte Yousef, wäre ich tot. Sie
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