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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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angebrochen. Das hier war der Niedergang einer Nation und der Triumph von Systemen, die dazu bestimmt waren, menschlichen Kontakt, menschliche Vernunft, menschliche Einsicht und Entscheidungsfindung komplett zu vereiteln. Die meisten Menschen wollten keine Entscheidungen treffen. Und zu viele der Leute, die Entscheidungen treffen konnten, hatten beschlossen, sie Maschinen zu überlassen.
    Alan stand auf. Die Linien des Zimmers verliefen überallhin, wie bei einem Mikadospiel. Er fand das Bett und erlaubte es ihm, ihn zu verschlingen. Es drehte sich wie ein Windrädchen. – Vielleicht hab ich zu viel getrunken, sagte er, in sich hineinlachend. Er legte eine Hand flach an die Wand, und das Drehen wurde langsamer und hörte auf.
    Nicht schlecht, sagte er und fand sich sehr komisch und kompetent. Er hatte das Drehen anhalten wollen und hatte es getan. – Glückwunsch, junger Mann!, sagte er.
    Alan sah in den Spiegel über dem Schreibtisch und dann auf das Telefon. Und während er es ansah, klingelte es.
    – Hallo?
    – Hier ist Hanne.
    – Gut. Wie geht es Ihnen?
    Sie lachte. – Ich hab gar nicht gefragt, wie es Ihnen geht.
    – Tja, ich hab einfach gedacht, Sie sollten es wissen.
    Sie lachte wieder, ihr leises Harfenzupfenlachen. – Sind Sie schon im Bett?
    – Nein. Warum?
    – In der Botschaft ist heute Abend eine Party.
    – In der dänischen Botschaft?
    – Ja, und das wird ein Zechgelage.
    – Ich bin schon betrunken. Von Ihrem Schnaps.
    – Das ist gut. Dann werden Sie nicht auffallen. Kommen Sie?

XIX.
    ER NAHM EIN TAXI ZUR BOTSCHAFT und wurde zwanzig Minuten später Zeuge, wie zwei Frauen einem Mann die gepiercten Nippel leckten, rittlings auf ihm wie barbarische Gefährtinnen. Es gab Leute in Unterwäsche und Unmengen Pillen. Fässerweise Schwarzgebrannten. Es war verzweifelt und gestört und zeitweilig sogar vergnüglich.
    Ein dicker Mann tanzte am Pool, tanzte gut. So eine enge Hose für einen massigen Mann. Hanne war verschwunden, an die Bar.
    Alan war allein und schlenderte herum. Er brauchte keinen Drink.
    Die Hose des dicken Mannes glitzerte wie Fischschuppen. Alan hatte dem Mann misstraut, sich gefragt, wieso Frauen ihm so nahe waren, offensichtlich fasziniert von ihm, doch dann hatte der dicke Mann angefangen zu tanzen, und alles erklärte sich. Er war fantastisch. Und Kanadier. Ein dickes kanadisches Tanzphänomen.
    Im Pool wurde ein Spiel gespielt. Leute tauchten nach Pillen. Marihuana gab es nicht auf der Party – das hätten Nachbarn zu leicht wittern können, den Geruch im Wind –, deshalb gab es stattdessen Pillen. Es gab unendlich viele Pillen und Wein und Hochprozentiges in Flaschen ohne Etiketten. Es war ein Paradies für Alkoholschmuggler.
    Ein großer Mann, gebaut wie ein Wikinger, das strohfarbene Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, warf Pillen ins Wasser, Hunderte. Er warf sie hinein, und Leute tauchten. Ihr müsst sie so essen, dass ich es sehen kann, sagte er zu den Partygästen, die in ihrer Unterwäsche hineinsprangen. Wer mitspielte, musste erst wieder auftauchen und die Pille vor seinen Augen schlucken. Und so sprangen Leute in Unterwäsche in den Pool, tauchten nach den Drogen – weiße und blaue Pillen, die auf dem Grund des Pools bei Nacht sehr schwer zu sehen waren. Was für welche waren das?
    Irgendwer sagte Viagra, irgendwer sagte Ambien, aber das konnte nicht stimmen. Schon bald tauchte jemand nackt aus dem Pool auf, und das löste einen Tumult aus. Im Pool waren Männer und Frauen ineinander verschlungen, Haut schimmerte im Licht und bewegte sich rhythmisch, und es gab Pillen und Schnaps, aber der Mann, der nackt aus dem Pool stieg, überschritt anscheinend eine Grenze. Er wurde rasch mit einem Handtuch verhüllt und ins Haus bugsiert.
    Wo war Hanne?
    Noch nie hatte er gesehen, dass sich Leute in diesem Alter so benahmen. Alte Leute, Leute in seinem Alter, in Unterwäsche. Alte Leute, die sich die Pillen in den Mund warfen und sie mit riesigen Flaschen Schnaps runterspülten. Etwas Aufgestautes war entfesselt worden. Und die Frau mit dem tiefen Ausschnitt? Sie trug ihr Dekolleté vor sich her wie ein Tablett. Spazierte einfach auf der Party herum, herum und herum, ohne Plan oder Ziel, wie es schien. Schien nie mit irgendwem zu reden. Als wäre sie dafür engagiert worden, das zu tun, was sie tat, herumspazieren, bewundert werden. So etwas machte man in New York und Vegas, aber hier?
    Alan trank aus einem Dutzend klarer Flaschen, deren Inhalt immer aussah wie Wasser

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