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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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und schmeckte wie kaputte Maschinen.
    Alan kam mit einem amerikanischen Architekten ins Gespräch. Er sagte, er habe einen Teil von KAEC entworfen, das Finanzzentrum. Er hatte immerhin ein paar der größten Gebäude der Welt entworfen. Er stammte aus irgendeiner Gegend, die sehr überraschend war, sehr flach. Iowa? Er war herzlich gewesen, bescheiden, vielleicht ein bisschen verhärmt. Sie tauschten ihre Erfahrungen mit Schlafmangel aus. Der Architekt war frisch aus Schanghai gekommen, wo er einen neuen Turm baute, größer als alles andere, was er gemacht hatte. Er arbeitete seit zehn Jahren in Dubai, Singapur, Abu Dhabi, in ganz China.
    – In den Staaten arbeite ich schon lange nicht mehr, seit, wow, ich hab vergessen, seit wann, sagte er.
    Alan fragte, warum, obwohl er die Antwort kannte. Es hatte mit Geld zu tun, klar, aber auch mit Vision, Mut, sogar ein bisschen mit Konkurrenz und Ego.
    – Es geht nicht darum, das Größte und Höchste zu bauen, aber wissen Sie, in den Staaten gibt es solche Träume zurzeit nicht. Alles liegt auf Eis. Die Träume werden vorerst woanders geträumt, sagte der Architekt. Dann verließ er die Party.
    – Los, unterhalten Sie sich mit mir.
    Es war Hanne.
    – Wo haben Sie gesteckt?, fragte sie.
    Alan wusste es nicht.
    Sie nahm Alans Hand. Er ließ sich mitziehen.
    – Machen wir einen Fehler, sagte sie.
    Sie gingen in die Garage. Drei Kühlschränke noch in der Verpackung.
    Und ihr Gesicht an seiner Brust, dann die kleinen Augen, die zu ihm hochschauten und versuchten, sinnlich zu sein, aber eher so etwas wie suchend zustande brachten. Er fühlte sich gefunden und sah weg.
    Aber sie küssten sich einen Augenblick lang, und dann hörte er auf. Er tat so, als wäre es eine Sache von Ritterlichkeit. Eine Frage von Würde.
    – Ist irgendwie albern, dieses Überstürzte, nicht?, sagte er.
    Sie trat zurück, sah ihn an, als hätte er ein schreckliches Geheimnis enthüllt, dass er in seiner Jugend Mitglied der SS gewesen war. Dann lachte sie. Bewundernswerte Vorsicht in deinem Alter, Alan!
    Er zog sie fest an sich und hielt sie lange. Er küsste sie oben auf den Kopf. Das ging zu weit, und er wusste es. Jetzt war er ihr Vater. Ihr Priester? Er war ein Idiot.
    Sie wich zurück. – Behandle mich nicht so gönnerhaft.
    Er entschuldigte sich und sagte ihr, wie sehr er sie mochte, weil das stimmte.
    – Du kannst mir nicht wehtun, weißt du, sagte sie. Ich bin nicht kleinzukriegen.
    Das war das Startsignal, eine Frau, die einem Mann erzählt, dass sie sehenden Auges an die Sache rangeht und er nicht befürchten muss, dass sie sich in ihn verliebt oder ihn auch nur in Erinnerung behält.
    War sie absichtlich gemein? Kein Mensch hat es gern, wenn ihm das, was er will, vorenthalten wird. Erst recht nicht, wenn es zum Greifen nahe scheint. Das macht einen doppelt wütend. Hanne dachte offenbar, sie würde Alan einen Gefallen tun. Und dann hatte er sie probiert und Nein gesagt. Den Rest des Abends sprach sie kein Wort mehr mit ihm.
    Aber inzwischen war die Party ohnehin so gut wie vorüber. Folgendes passierte am Ende, kurz vor Ende, zumindest kurz vor Ende der Zeit, die Alan dort war. Der Raumfahrer! Ein Mann in einem Raumanzug. Es war ein Kostüm, aber es war sehr gut, sehr realistisch. Eine Art Kreuzung zwischen Apollo-Anzug und Kubricks 2001, genauso ungelenk, die geriffelten Arme und Beine. Er ging einfach in dem Anzug umher, simulierte Schwerelosigkeit, und dann ging er wieder hinein. Später kam er ohne den Helm heraus und entpuppte sich als jemand um Mitte sechzig. Was hatte er getrunken oder genommen? Ein über sechzigjähriger Mann, der in Zeitlupe auf einer Party herumspazierte, sich mit Leuten pantomimisch unterhielt, so tat, als würde er die Brüste der Dekolletéfrau begrapschen.
    Im Keller lief Musik, eine Art Tanzfläche, eine aus Alufolie gebastelte Discokugel. Ausschließlich Motown, Diana Ross und The Shirelles. The Jackson 5. Männer und Frauen in den Vierzigern rieben sich aneinander, Hintern am Schritt. Es war verstörend, wie sie das machten. Alan hatte den Keller verlassen müssen.
    Es waren fröhliche junge Leute da. Draußen am Pool.
    Sie hatten ihren Schwarzgebrannten in der Hand, in roten Bechern, und sie gingen für einen oder zwei Songs auf die Tanzfläche, und Alan saß irgendwann neben ihnen, auf Liegestühlen, und schaute beim Pillentauchen zu. Sie waren zu dritt. Die einzige Frau unter ihnen war Äthiopierin, sprach aber wie eine Amerikanerin, in Miami

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