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Ein Hueter erwacht

Ein Hueter erwacht

Titel: Ein Hueter erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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denn sie waren erfüllt von Fragmenten der letzten Kelchseele, dem Innersten eines kleinen Jungen namens Nehru, der als letzter durch den schwarzen Bluttrunk aus dem Unheiligtum der Alten Rasse ge-storben war. Mit Nehrus Kelchtaufe hatte damals Landru die tödliche Seuche ausgelöst, an der die Vampire in aller Welt - die Oberhäupter der Sippen ausgenommen - zugrunde gegangen waren. Gott selbst hatte den vernichtenden Keim in den Lilienkelch gesetzt, und sein Plan war aufgegangen. 1
    Doch hatte sich eben jener Plan nicht im Untergang der Alten Rasse erschöpft. Der Kelch selbst, das Instrument, das den Fortbestand des vampirischen Volkes gesichert hatte, sollte fürderhin jedem möglichen Zugriff entzogen werden.
    Als Landru, der einstige Hüter des Grals, die Veränderung des Kelches erforschen und Maßnahmen dagegen ergreifen wollte, gab er ihn zu diesem Zwecke in die Hand des Nekromagiers Sahya Pat-naik. Unter dessen Bemühen jedoch fuhr die Kraft Gottes aus dem Kelch und schuf eine Schutzzone um das Unheiligtum der Alten Rasse herum. Und mit dieser Kraft verließ auch die letzte Kelchseele ihren dunklen Kerker und fuhr ein in zwölf Untote, die Sahya Pat-naik sich in seinem Hause hielt. Ihre Aufgabe sollte es fortan sein, den Lilienkelch zu bewachen 2 -- doch sie hatten versagt.
    Weil etwas gänzlich Unvorhergesehenes geschehen war! Die zwölf Wächter des Kelches kannten weder dessen Ursache noch Wirkungsweise. Nur die Auswirkung hatten sie erfahren, am eigenen Leibe. Etwas hatte sie in der Art eines unsichtbaren Blitzes getroffen und wie endgültig tot niedergehen lassen. Zugleich hatte das Fremde aus der Ferne auch die Schutzzone um den Kelch erreicht - und sie erst brüchig gemacht und schließlich aufgehoben!
    Ein Teil des Ganzen mochte durchaus vom Kelch selbst ausgegangen sein. Das fremde Etwas schien die ihm eigene Kraft stimuliert und für eine kurze Zeit über alle andere Macht erhoben zu haben. Der Kelch, oder die Macht in ihm, hatte schließlich jemanden zu sich gerufen, der ihn aus seinem Kerker befreite und fortbrachte.
    Und sie, die Wächter, die von Gott befohlenen letzten Hüter des Lilienkelches, hatten nichts dagegen unternehmen können, weil ihre Kräfte nur langsam zurückgekehrt waren - zu langsam.
    Dennoch waren sie ihrer Aufgabe damit nicht ledig geworden. Sie definierten sie neu, ernannten sich selbst von Hütern zu Jägern!
    Die Witterung des Lilienkelches war ihnen vertraut geworden in den langen Wochen, da sie ihn behütet hatten. Sie würden seiner Spur folgen, wohin der Gral auch gebracht werden mochte. Und wer immer ihn in Händen hielt, die zwölf Häscher würden ihm den Kelch entreißen - um jeden Preis, mit allen Mitteln.
    Geisterhaft wisperte es durch die Finsternis im Haus an der Grand Trunk Road, aus zwölf Mündern, die des Sprechens kaum noch fähig waren, weil der Tod ihre Zungen und Lippen lähmte. »Lassst unsss .« ». ruhennn .« ». bisss .« ». unnnsssserrre .« ». Krrraffft .« ». wiederrr die alllte .« ». issst .« »... dannn holennn ...« ». wirrr ihnnn .« ». zurrrück .« »... wie esss unsss ...« »... befohlennn isst.«
    Zwölf Gestalten versanken im Dunkeln in absolute Reglosigkeit. Nur tief in ihrem fauligen Fleisch pulsierte es, als Kraft sich regenerierte. Zeit verging.
    Bis die Zwölf bereit waren für die Jagd nach dem Lilienkelch.
    *
    Neu Delhi war eine Stadt voller architektonischer Gegensätze. Dominierte in der einen Straße noch der Baustil der britischen Kolonialherrschaft, so konnte eine Ecke weiter das alte Delhi zutage treten mit schlichten Häusern oder ärmlichen Hütten, die Wege dazwischen weder gepflastert noch asphaltiert, sondern nur aus festgestampftem Lehm bestehend, den der Monsunregen in Schlamm verwandelte.
    Diese Widersprüchlichkeit fand sich auch im Umkreis der Grand Trunk Road. Radhey Pai kam es oft vor, als würde ihn ein einziger Schritt von einer Welt in eine andere bringen, wenn er in die Gasse eintauchte, an der sein Zuhause lag, inmitten einer langen Reihe von Hütten unterschiedlichster Größe, teils aus Lehm, teils aus Stein gebaut, und einige davon so verfallen, daß nur die Wände der benachbarten Behausungen sie am Einsturz zu hindern schienen.
    Heute Nacht jedoch befiel Radhey Pai kein solcher Gedanke. Zu tief saß das Entsetzen, und seine Kraft war von der Flucht aus dem furchtbaren Haus derart aufgebraucht, daß sie kaum mehr zum Denken reichte.
    Erschöpft wie ein Todkranker schleppte er sich die dunkle

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