Ein Hund zu Weihnachten
vernünftig.«
Vor vielen Jahren erzählte mir mein Großvater, dass er als junger Mann auf der Jagd einmal jenen eigenartigen Grunzlaut gehört hätte, den Hirsche bei Gefahr ausstoßen. Als er sich umdrehte, hätte er angeblich gesehen, wie ein Puma einem Reh in den Wald hinterherjagte.
Und erst vor wenigen Jahren hatte ein Bekannter von mir, ein Rechtsanwalt aus der Stadt, behauptet, er hätte eine Raubkatze über das achte Loch auf dem örtlichen Golfplatz huschen sehen, gerade als die Sonne unterging.
Ich schenke solchen Geschichten aus verschiedenen Gründen wenig Glauben. Früher oder später legt sich jedes Wildtier in dieser Gegend mit einem Auto an und zieht dabei den Kürzeren. Ich hatte aber noch nie gehört, dass ein Puma vor ein Auto gelaufen war. Auch sind Luchse viel größer, als die meisten Leute glauben, und sie bewegen sich so schnell, dass man sie ohne Weiteres für eine größere Raubkatze halten kann.
Dennoch machte mich eine Sache stutzig. Es war vor vier Jahren passiert, und damals konnte ich mir keinen Reim darauf machen, deshalb hatte ich die Sache wieder vergessen. Eine Kuh und ihr neugeborenes Kalb waren durch unseren Zaun ausgebrochen. Zwei Meilen südlich von uns liegen beinahe tausend Hektar Wald. Er befindet sich in Privatbesitz und ist seit Generationen unberührt geblieben, vielleicht sogar seit Jahrhunderten. Auf dem Rücken meiner Stute folgte ich den Spuren der Rinder weit in den Wald hinein, bis ich an einen Bach kam. Das Bachbett war feucht, und über einigen größeren Wasserpfützen schwirrten Stechmücken. Der Pfad hatte aufgehört, und ich musste dauernd Spinnweben aus meinem Gesicht wischen, um vorwärtszukommen. Die Kuh und das Kalb hatten Halt gemacht, um zu trinken. Nach der Menge der Spuren zu urteilen, waren sie für mehrere Stunden am Wasser geblieben, vielleicht die ganze Nacht. Kühe hinterlassen mit ihren gespaltenen Hufen eindeutige Abdrücke. Am Rand einer Pfütze fand ich seltsame Spuren. Ich stieg vom Pferd, um sie mir genauer anzusehen. Im Matsch waren deutlich Katzenspuren zu sehen, so groß wie meine Hand.
Ich hatte mich nicht in die Reihe von Verrückten einreihen wollen, die behaupteten, einen Berglöwen gesehen zu haben, deshalb hatte ich nie jemandem davon erzählt. Später an jenem Tag fand ich die Kuh und ihr Kalb unverletzt und vergaß den ganzen Vorfall.
Aber man konnte nie vorsichtig genug sein, deshalb sagte ich zu Todd, als er schon wieder gehen wollte: »Egal, was das für Spuren waren, vielleicht sollten du und Christmas in den nächsten Tagen nicht mehr zum Fluss gehen. Ich sehe mir diese Spuren später mal an.«
Todd zuckte die Schultern. »Klar, Dad, aber dieser Puma wäre kein Problem für Christmas.«
»Da irrst du dich. Kein Hund kann es mit einem Puma aufnehmen.«
Todd und Christmas verließen den Schuppen, und ich folgte ihnen langsam zum Haus. Christmas kam ein paar Mal zu mir zurückgelaufen und wunderte sich offensichtlich, warum ich so langsam war. Als Todd gerade nicht hinsah, ging ich in die Hocke, und Christmas gab mir einen Hundeschmatz ins Gesicht und wedelte mit dem Schwanz. Todd hatte wirklich einen guten Hund ausgesucht.
In den Tagen vor Weihnachten versuchte ich die Erinnerungen an den Krieg, an Tucker und Good Charlie zu verdrängen, aber das war nicht so einfach. Mehrmals hielt Mary Ann inne und fragte: »Alles in Ordnung?«
»Ja«, antwortete ich, aber sie kannte mich und merkte genau, wann ich mit diesen Erinnerungen zu kämpfen hatte.
»Ist es der Hund?«
»Nein«, antwortete ich. Wir wussten beide, dass das gelogen war.
FÜNF
Am Samstag, also am Tag vor unserer großen Weihnachtseinladung, waren die Temperaturen noch immer mild, aber der Wind war stärker geworden. Es war ungewöhnlich warm für diese Jahreszeit, und da der Wind aus südlichen Richtungen kam, würde es noch länger so bleiben. Nachdem Todd, Christmas und ich unsere Morgenrunde abgeschlossen hatten, fuhr ich mit dem Traktor hinunter zu den hinteren Feldern, um die geheimnisvollen Spuren zu untersuchen, die Todd ein paar Tage zuvor gesehen hatte.
Während ich nach Süden Richtung Kill Creek tuckerte, wurde der Wind stärker, und ich musste mich fest in meine Jacke wickeln und die Handschuhe anziehen. Der Schnee war größtenteils weggeschmolzen, und der Boden war nass, aber noch nicht schlammig. Hier und da spitzten grüne Halme hervor, ansonsten waren die Felder braun und grau.
Ich fuhr nicht schnell, sondern genoss die Zeit an
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