Ein Iglu für zwei (German Edition)
wieder ein. Kein Ort ist sicher vor dem Leben, das dir bestimmt ist“, sinniert er mit einem Mal dahin. „Du bist wahrscheinlich das Nesthäkchen in deiner Familie. Bist wohlbehütet aufgewachsen, viele Freunde, viel Konsum.“
Wo holt er denn diese Informationen jetzt her? Hab ich eine Schriftrolle auf der Stirn zu kleben?
„Warte, lass mich raten – du gehst gern in die Disco, stimmt’s?“
Erstaunt darüber, woher er so viele spekulative Erkenntnisse über mich gewinnt, kratze ich mich nachdenklich am Kopf. Gern hätte ich meine Persönlichkeit wieder ins rechte Licht gerückt, aber der Gedanke, ein unüberlegtes „Nein, das stimmt überhaupt nicht!“ von mir zu geben, ist mir zu simpel und hätte sein falsches Bild über mich sicher nicht revidiert.
„Ich habe also Recht. Ist schon okay. Die meisten Mädchen deines Alters führen ein argloses Leben und interessieren sich nur für ihr Aussehen.“
Unsere Teller werden abgeräumt und der Champagner wird nachgeschenkt, daher wird Danny Greyeyes in seinen Äußerungen gestoppt. Kurzzeitig überlege ich, lautstark zu widersprechen. Aber warum sollte ich ihn daran hindern, so über mich zu denken? Nie hätte ich gedacht, dass ausgerechnet eine stille Person wie ich für eine wilde Discomaus gehalten werden könnte. Hat irgendwie ja auch was.
Als der Kellner sich vom Tisch entfernt, versuche ich schließlich doch, meine Chance auf Dementis zu nutzen. Ich hole tief Luft, aber Danny ist schneller.
„Weshalb bist du vorhin im Studio eigentlich umgefallen? Na ja, du wärst nicht das erste Mädel, das bewusstlos wird, nur weil ich vorbeilaufe. Ich verstehe euch Frauen einfach nicht. Es wäre schön, mal auf eine zu treffen, die anders ist als die anderen.“
Eigentlich warst nicht du der Grund, sondern mein Magen ...
„Möglicherweise liegt es an dir und nicht an den Frauen, dass du immer an die gleichen gerätst.“
Ich klopfe mir innerlich auf die Schulter über meinen gewagten Vorstoß in diese bisher recht einseitige Diskussion.
„Wie soll ich das denn verstehen?“, fragt er brüskiert.
„Vielleicht siehst du nur das, was du erwartest.“
Danny Greyeyes lehnt sich weiter vor. Die plötzliche Nähe zu seinem Gesicht beunruhigt mich, daher rücke ich etwas nach hinten.
Bevor er etwas darauf erwidern kann, wird das Dessert serviert. Erfreut greife ich danach. Diese Redepause muss irgendwie überbrückt werden, also schlinge ich die Nahrung hastig in mich hinein.
Als wir wieder allein sind, schüttelt Danny heftig mit dem Kopf.
„Du machst mir Spaß. Gerade mal den Windeln entsprungen und schon mit altklugen Bemerkungen jonglieren, deren Bedeutung du nicht verstehst.“
Das Dessert plumpst schwer in meinen Magen. Hab’s wohl doch zu rasant geschluckt und das Kauen dabei vergessen. Oder drückt eher seine etwas respektlose Bemerkung über meinen Sachverstand in Lebensfragen auf meine Magenwände?
„Wie alt bist du, Mädchen?“
Mädchen! Ich wusste schon immer, dass ich etwas jugendlicher auf andere wirke, aber die Mädchenzeit ist leider vorbei.
„Achtundzwanzig“, gebe ich wahrheitsgemäß zur Antwort.
Ein Lächeln, bei dem sich nur der linke Mundwinkel nach oben zieht, lässt erahnen, dass er mir nicht glaubt. Hätte ich neunzehn sagen sollen?
„Ist schon okay. Du brauchst mir dein wahres Alter nicht zu verraten.“
Ich finde es durchaus charmant, für so jung gehalten zu werden, aber offensichtlich schätzt er die Reife des Charakters nach dem Lebensalter ein. Und falls er mich für neunzehn hält, dürfte ich in seinen Augen nicht viel davon besitzen.
„Wie alt bist du denn?“, frage ich ihn missgestimmt. Meine Stimme hat ein ungeahntes Volumen erreicht und überschlägt sich fast in der Tonhöhe. „Nein, lass mich raten. Vermutlich bereits über sechzig. Offensichtlich kannst du aus einem Lebenserfahrungsschatz schöpfen, von dem andere nur träumen. Liege ich richtig?“
Ich plinkere mit den Augen und lächele gekünstelt. Mein schnippischer Tonfall ist mir neu. Mir war gar nicht bewusst, dass ich das kann.
Er verschränkt seine Arme und sieht mich durch zusammengekniffene Augen an.
„Du überraschst mich.“
Ich mich auch.
„Taust ja richtig auf. Ich dachte schon, mit dir wäre gar kein Gespräch möglich.“
Ist es auch eigentlich nicht.
„Eigentlich solltest du wissen, dass ich achtunddreißig bin. Die meisten Fans sind besser über mich informiert, als ich es selbst bin. Ich verstehe schon, was du mir
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