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Ein Iglu für zwei (German Edition)

Ein Iglu für zwei (German Edition)

Titel: Ein Iglu für zwei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Richling
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damit sagen wolltest. Vielleicht unterschätze ich dich auch.“
    „Ja, vielleicht.“
    „Na ja, ich bin halt auch nur ein Mensch, habe genauso meine Schwächen. Möglicherweise hast du Recht und ich beurteile die Menschen falsch. Gar nicht so blöd von dir.“
    Ich weiß.
    „Sieh die Menschen einfach so, wie sie sind, und bleib dabei wertfrei! Dir entgeht sonst ein klares Bild.“
    Diese Weisheit hat mein Vater mir damals vermittelt. Manchmal hat es mir weitergeholfen. Ein bisschen.
    Mr. Greyeyes hat sein Dessert überhaupt noch nicht angerührt. Vielleicht könnte ich die Portion ...
    Das Loch in meinem Magen war doch größer als angenommen. Ob ich ihn mal frage? Er nimmt seinen Löffel in die Hand und spielt damit. Isst er das Dessert nun oder nicht?
    Mit einem zweideutigen Stirngrübchenblick sieht er mich an.
    „Aus dir werde ich nicht schlau. Du vermittelst gegenwärtig den Eindruck, als würdest du die ganze Welt auf dem Rücken tragen. Was willst du schon wissen? Ich habe meine Gründe, Menschen nicht urteilsfrei zu begegnen. Wenn du mein Leben gelebt hättest, wüsstest du, wovon ich spreche. Ich habe meine Eltern im Alter von vierzehn Jahren verloren. Den Rest meiner Jugend habe ich in einem Kinderheim verbracht, in dem kein einziges Kind so war wie ich. Verstehst du, was ich meine? Nein, das kannst du gar nicht. Schau dich doch an. Blond und blauäugig wie ein Püppchen. Solarium gebräunt. Wie lächerlich.“
    Solarium gebräunt? Ich war kein einziges Mal in meinem Leben unter einer künstlichen Sonne.
    „Wenn ich so ein Leben geführt hätte wie du, dann könnte ich auch so scheinfromme Weisheiten von mir geben“, fügt er noch bitter an seine letzten frostigen Äußerungen an.
    Woher weiß er, was ich für ein Leben geführt habe? Ich kann mich nicht erinnern, irgendetwas aus meinem Leben erzählt zu haben. Noch nie habe ich einen Menschen getroffen, der mit so vielen Vorurteilen behaftet ist wie dieser Danny Greyeyes. Was bringt einen Menschen nur dazu, so zu denken?
    „Ich erwarte nicht, dass du das verstehst“, führt er seine Angriffe unbeirrt fort. „Du kannst nicht nachvollziehen, wie es ist, anders zu sein als die anderen. Benachteiligt zu sein, nur wegen der Hautfarbe. Sicher hätte ich es auch gern so leicht gehabt wie du.“
    Mir ist der Appetit auf Dannys Dessert vergangen. Ich bin froh, dass ich nicht so verbittert bin wie er. Sicher kann ich nicht ernsthaft beurteilen, wie schlecht es ihm in seiner Kindheit wirklich erging, aber ich gebe zu, dass ich seine Bitternis tatsächlich nicht nachvollziehen kann. Ich habe schon Menschen getroffen, denen es wesentlich schlechter ging und die überhaupt nicht geklagt haben.
    „Du scheinst ein ziemlich unzufriedener Mensch zu sein. Das tut mir sehr leid. Aber glaubst du nicht auch, dass es besser für dich wäre, die Erlebnisse aus der Vergangenheit loszulassen? Das liegt doch alles hinter dir. Warum konzentrierst du dich nicht auf dein augenblickliches Leben?“
    Das habe ich jetzt wohl etwas vorschnell erwidert. Meine Gedanken sind mir einfach aus dem Mund gehopst. In der Regel behalte ich sie für mich.
    Sein unwirsches Lachen verrät mir, dass ich zu viel gewagt habe.
    „Und das sagt mir eine kleine berechnende Lady, die nur darauf aus war, zu einem Fotomodell aufzusteigen, und keinen blassen Schimmer hat, wie es sich anfühlt, wegen seiner Hautfarbe zum Außenseiter zu werden? Erspar mir deine klugen Ratschläge und kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten!“
    Sein Löffel knallt auf den Tisch. Das Glas daneben zerspringt in tausend kleine Splitter. Glücklicherweise ist es leer.
    Erschrocken fahre ich zusammen.
    „Danke für deine mitfühlenden Worte. Wir sollten den Abend an dieser Stelle beenden. War nett, dich kennengelernt zu haben.“
    Ich fühle mich missverstanden. Was habe ich gesagt, was so eine Reaktion rechtfertigen würde? Müsste nicht eher ich eingeschnappt von dannen ziehen? Schließlich war er es, der gnadenlos über mich geurteilt hat, obwohl er absolut nichts über mich weiß.
    Zornig erhebt er sich von seinem Stuhl und stampft aus dem Lokal, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen. Fragend sehe ich ihm nach.
     

Okay, was nun?
     
    Dannys unerwarteter Aufbruch hat mich komplett verwirrt. Sicher hat er etwas mehr Mitgefühl meinerseits erwartet. Hätte ich nicht so direkt sein sollen? Es ist seine Vergangenheit und hat mit meiner überhaupt nichts zu tun. Trotzdem gebe ich zu, auf Parallelen gestoßen zu

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