Ein Iglu für zwei (German Edition)
sich in der ewig andauernden Dunkelheit des Winters zurechtzufinden.
„Ich würde jetzt gerne weitergehen, sonst bin ich bald mit der Wand, an die du mich immer noch drückst, verschmolzen“, gebe ich schlotternd von mir. Kaum habe ich das letzte Wort ausgesprochen, werde ich prompt auf den Gehweg gezogen.
„Entschuldigung! Du hast Recht. Ich werde dich nach Hause bringen, sonst holst du dir in deinem zarten Kleidchen einen Schnupfen.“
Zum aufmerksamen Gentleman verwandelt, zieht er seine Jacke aus und legt sie mir über die Schulter. Seine Körperwärme scheint sich komplett in dieser Jacke gesammelt zu haben, denn sie ist so warm, als hätte sie eben noch über einer Heizung gehangen.
„Besser so?“, fragt er sorgsam.
„Ja, danke. Viel besser.“
Schweigsam gehen wir eine Weile nebeneinander her den Weg hinab.
„Ich dachte, du wärst längst weg. Wieso bist du noch hier?“, frage ich einige Zeit später.
Meine Frage scheint ihm Unbehagen zu bereiten, denn er fährt sich mehrmals mit den Händen durchs Haar.
„Ehrlich gesagt bin ich nur ein paar Schritte diesen Weg hinuntergegangen, bis mir die kühle Luft wieder einen klaren Kopf verschafft hat. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich dich einfach im Lokal zurückgelassen hab. Deshalb bin wieder zurückgegangen und hab hinter der Tür auf dich gewartet. Mir ist klar geworden, dass du Recht hattest, mit dem, was du sagtest. Ich wollte es nur nicht zugeben. Deine direkte Art bin ich nicht gewohnt. Ich habe mich gefragt, warum ich mit dir sofort über meine Vergangenheit gesprochen habe. Darüber rede ich für gewöhnlich nicht. Jedenfalls nicht so schnell. Du bist der erste Mensch, der mich deswegen nicht bedauerte. Es hat mich wohl ein wenig gekränkt.“
Verschämt schaue ich zu Boden und spüre, wie das schlechte Gewissen an mir nagt. Also hatte ich Recht. Mir fehlt es an Einfühlungsvermögen. An diesem Charakterfehler muss ich unbedingt noch arbeiten. Es liegt mir fern, andere Menschen nach kurzer Begegnungsphase zu verletzen.
„Tut mir leid. Ich hatte wohl kein Gespür für deine Sensibilität“, entschuldige ich mich bei ihm.
Danny springt mir unerwartet in den Weg und stoppt mich mit einem Schultergriff.
„ Mir fehlte es an Taktgefühl dir gegenüber. Ich habe dich die ganze Zeit nicht ernst genommen, war dir gegenüber überheblich und anmaßend. Wenn sich hier jemand entschuldigen muss, dann ich. Du hast ganz schön was einstecken müssen. Es ist wahrlich nicht leicht, dich zu provozieren.“
Eigentlich schon. Nur bin ich viel zu schweigsam, um zu protestieren.
Mein Körper verwandelt sich gerade zu Wackelpeter. Die Beine zittern im Takt mit den Armen. Es ist viel zu kühl für einen Sommerabend.
„Hey, du frierst ja ganz schön. Komm her!“ Danny schließt mich in seine Arme. Ich bin ganz verwirrt über sein Tun. Seine Hände reiben mir wärmend über den Rücken. Ein Taxi biegt in unsere Straße ein. Genau in diesem Augenblick. Soll ich etwas sagen und ihn bei seinen wärmespendenden Maßnahmen stören? Zum ersten Mal nach langer Zeit genieße ich die Nähe zu einem anderen Menschen. Ich wusste gar nicht, dass das so schön sein kann. Erinnerungen werden wach.
Das Taxi schleicht wie eine große gelbe Schildkröte heran. Wann ist es endlich an uns vorbeigezogen? Jetzt sieht er’s auch. Stumm schaut er ihm nach und rubbelt dabei weiter meinen Rücken. Es war ihm genauso gleichgültig wie mir. Jetzt ist es weg.
„Wird dir schon wärmer?“, fragt er arglos, als würden seine Rubbeleien das Einzige auf der Welt sein, was mich am Frieren hindern könnte.
„Ja“, schwindle ich. Weiß nicht, warum. Vielleicht hoffe ich, zukünftig öfter auf diese Art gewärmt zu werden.
„Du verkohlst mich doch“, flüstert er lächelnd, „deine Lippen sind schon ganz blau.“
Wie kann er das bei dieser Dunkelheit nur erkennen? Ich bewundere sein gutes Sehvermögen. Wir lächeln uns an.
„Ich habe dauernd an die Begegnung mit dir im Treppenhaus denken müssen. Wenn ich nur gewusst hätte, dass du das warst ...“
„Wärst du dann vorhin freundlicher zu mir gewesen?“, frage ich ungeniert nach.
Als hätte er meine Frage nicht gehört, redet er weiter.
„Da war irgendwas auf dieser Treppe mit dir. Du strahlst so was aus.“
Was denn? Ich strahle was aus? Bin ich radioaktiv? Sein warmer Daumen streicht über meine Lippen. Mein Unbehagen weicht einem neuen Gefühl, was mich von innen wärmt. Daher vergesse ich, dass mir kalt
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