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Ein Jahr – ein Leben

Ein Jahr – ein Leben

Titel: Ein Jahr – ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Berben , Christoph Amend
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Schauspielerin berühmt zu werden. Sie haben einmal in einem Interview gesagt, dass Sie Elizabeth Taylor bewundern.
    Ja, sie hatte eine unglaubliche Präsenz. Sie hat sich ihre Rollen geradezu genommen, »Wer hat Angst vor Virginia Woolf?«, »Wer die Nachtigall stört«. Elizabeth Taylor hat sie mit sich selbst besetzt. Ich bewundere sie aber auch für ihre Freiheit, die sie sich genommen hat, für die Art, wie sie gelebt hat, in vollen Zügen. Sie hat wirklich gelebt, bis zum Schluss. Sie saß im Rollstuhl, aber: Sie saß schön im Rollstuhl. Das mag ich. Und sie hat spannende Männer gehabt, gute Männer. Eine andere Frau fällt mir ein, die gute Männer an ihrer Seite hat, ist Barbara Sukowa. Sie hat drei Kinder von drei Kerlen. Von jedem guten Mann ein Kind – das habe ich verpasst.
    Hätten Sie gerne mehr Kinder gehabt?
    Ja. Von jedem der guten Männer in meinem Leben. Andererseits ist die Innigkeit, die ich mit Oliver habe, schon etwas ganz Besonderes. Man kann die vielleicht nicht so leicht auf mehrere Kinder verteilen, oder?
    Sie waren in einer besonderen Situation, als er geboren wurde.
    Oliver war mein Stabilisator, mein Lebensretter.
    Kurz zuvor hatten Sie einen Selbstmordversuch überlebt.
    Mit der Geburt von Oliver hatte ich plötzlich eine Aufgabe, eine Verantwortung, die über mich selbst hinausging. Das hat mich stabilisiert, auf eine sehr konkrete Art und Weise. Als Oliver jetzt 40 wurde, habe ich ihm einen Brief geschrieben, den er auf seiner Geburtstagsfeier laut vorgelesen hat. Alle haben geheult.
    Und das wollten Sie auch erreichen.
    Nein, nein, im Gegenteil. Er hatte mich gefragt, ob er ihn vorlesen darf. Ich sagte ihm, dass es ein sehr persönlicher Brief sei. Aber er hatte sich entschieden. Und so endete es im Kollektivschluchzen. Es war ein lauter und leiser und sentimentaler und großer und ebenso kleiner Geburtstag, der mich auch wieder ganz stark an den Tag seiner Geburt erinnert hat. Und an dieses Wunder. Er ist aus meinem Körper gewachsen. Ich weiß, wie naiv das klingt, wir nehmen die Geburt als normalsten Vorgang der Welt hin, aber trotzdem: wer sich das wohl ausgedacht hat …
    Wer hat sie sich ausgedacht? Was glauben Sie?
    Ich weiß es nicht, aber die Nummer hätte von mir sein können (lacht) , vieles andere nicht, wie der Tod zum Beispiel. Den Tod hätte ich weggelassen. Aber eine Geburt hat eine solche Intensität, mehr Gefühl, mehr Wissen, mehr Leben geht nicht.
    Den Tod hätten Sie weggelassen. Dabei haben Sie bereits als Kind viel über ihn nachgedacht, haben Sie einmal erzählt.
    Das stimmt.
    Später in Ihrem Leben haben Sie 20  Jahre lang alle Filmrollen abgesagt, wenn es Drehszenen auf einem Friedhof gab.
    Heute Vormittag war ich auf dem Friedhof hier in Berlin, am Grab von Michael Althen, dem von mir sehr bewunderten Filmkritiker. Er ist in diesem Jahr gestorben, viel zu früh. Ich erinnerte mich an die erste Beerdigung in meinem Leben, ich war zwölf, mein Großvater war gestorben. Damals habe ich plötzlich diesen Gedanken gehabt, dass die Toten unter der Erde keine Luft bekommen – und mit einem Mal bekam ich selbst auch keine Luft mehr. Das hat mir als Kind Angst gemacht, und es macht mir immer noch Angst. Als ich heute an Michaels Grab stand, ging mir durch den Kopf, dass er ja wohl wusste, wie weit fortgeschritten seine Krankheit war, und dass er sich bestimmt diese konventionelle Bestattung gewünscht hat. Ich selbst habe keine Order gegeben, weil ich fest davon ausgehe, es gibt einen Schnitt – und dann kommt nichts mehr. Ich will nicht, dass Menschen, die mir nahestehen, wegen mir auf einen Friedhof gehen müssen. Ich weiß, das Zwiegespräch kann man dort suchen, aber von mir aus kann dieses Gespräch überall stattfinden, sogar in der Sauna. Die Menschen, die geblieben sind, sollen lieber ordentlich feiern. Es wäre schön, wenn sich in der Trauer auch immer ein Lachen mischt.
    Sie haben einmal gesagt: Der letzte Tag müsste Rock ’n’ Roll sein.
    Ja!
    Wie definieren Sie Rock ’n’ Roll?
    Anfassen, Heulen, Lachen, Riechen, Schreien, Unglücklichsein, Glücklichsein. Gegensätze sind Rock ’n’ Roll. Widersprüchlichkeiten aushalten, auch in sich selbst. Mal ganz bunt und laut, mal ganz zart und leise. Rock ’n’
Roll steht für Gefühle, die man nicht kontrollieren kann.
    Haben Sie auch deshalb eine Sehnsucht danach, weil Sie sich selbst so unter Kontrolle haben?
    Vielleicht. Ich brauche so viel Kontrolle in meinem Beruf, dass ich am liebsten

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