Ein Jahr – ein Leben
sagt: »Merkwürdig, so wichtig, dass du es heute einpackst und mitnimmst, nachdem du damals nur mit einem kleinen Koffer gegangen bist.« Der Zuschauer merkt: Hier ist etwas noch nicht zu Ende erzählt. Fast zum Schluss, in der späten Nacht, sagt er: »So, das war’s jetzt, wir haben alles ausgesprochen.« Er gibt zu, dass er seine junge Frau auf eine gewisse Art ausnutzt, sich von ihrer jungen Energie mitreißen lässt. Und dann gibt er auch zu, dass er immer noch hofft, dass ich ihn anrufe …
… was sagen Sie?
Ich sage: »Ja, das war’s jetzt«, und verlasse das Haus. Man denkt, der Film ist zu Ende. Aber ich drehe mich um und gehe noch einmal zurück. Ich nehme den Faden mit dem Foto noch einmal auf und sage: »Es war der 5 . September, als dieser Mann da draußen aufgetaucht ist und das Haus fotografiert hat, während wir davorstanden, und das war der Moment, in dem ich absolut sicher wusste: Ich bin glücklich. Das war der Moment des größten Glücks. Ich habe das Foto später weggestellt, weil das Haus nur noch ein Haus war und nicht mehr mit dem Glück von damals erfüllt war.«
Und er?
Er sagt, unsicher: »Dann könnten wir es vielleicht ja noch einmal miteinander probieren.«
Ein Happy End?
Anfangs im Film hatte mein Exmann sich vor allem darüber aufgeregt, dass er damals, als ich nur mit einem kleinen Koffer gegangen und nicht mehr wiedergekommen bin, ihm nur einmal im Jahr eine Karte zu Weihnachten geschickt habe. Ich habe darauf geantwortet, ich müsse diese Karten ja künftig nicht mehr schicken. Doch, doch, sagt er, er habe sich mittlerweile daran gewöhnt. Nun, in der Schlussszene des Films, als er ihr noch einmal ein Angebot macht, sagt sie: »Dieses Jahr bekommst du tatsächlich keine Weihnachtskarte mehr von mir.« Sie stellt ihm Tabletten hin und sagt ganz ruhig: »Die Tabletten können mir nur noch die Schmerzen nehmen, aber nicht mehr die Krankheit. Man hat mich gebeten, meine Sachen zu ordnen, deshalb verkaufe ich das Haus.«
Wow.
Beim Drehen dieser Szene musste ich den Drehort für ein paar Momente verlassen. Ich hatte sie falsch angelegt, viel zu intensiv. Der Regisseur wollte das Entsetzen im Gesicht meines Exmanns, aber nicht in meinem. Und er hatte recht: Sie lebt mit dieser Diagnose ja schon länger. Peter Simonischek wollte die Szene so lassen, den Zusammenbruch zeigen, weil er sagte, das ist doch so in solchen Momenten, da bricht man zusammen. Aber Matti hat darauf bestanden, mich ruhig und gefasst zu zeigen. Die Tränen dürfen nicht bei mir laufen, sie müssen beim Zuschauer laufen.
Was denken Sie, warum hat Ihre Mutter gedacht, dass Sie ausgerechnet diese Rolle gar nicht gespielt, sondern verkörpert haben?
Sie hat es so gesagt.
Hat sie recht?
Klar habe ich gespielt!
Sie lachen.
Sagen wir es so: Bei solchen Filmen geht es um Geschichten, die sehr nahe an den eigenen Verletzungen, an den Einschnitten des Lebens sind, an den kleinen Schlachten, die man selbst verloren hat. Das ist für mich das Glück an meinem Beruf: Ich kann auf diese Weise damit umgehen, mich analysieren, was ich nicht anmaßend meine. Manchmal kann ich so bestimmte Ereignisse meines Lebens verarbeiten, in anderen Fällen gelingt es mir wenigstens, Dinge mit zeitlichem Abstand neu zu betrachten.
Die Kritiker waren sich bei diesem Film mit dem Publikum einig: Lob von der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« bis zur »Süddeutschen« …
… ich habe mich darüber sehr gefreut, denn wie oft passiert es einem schon, dass man so einhellig gelobt wird für die eigene Arbeit. Aber leider ist die Quote nun mal der Maßstab für die Produzenten.
Die Einschaltquote war mit fast 4 , 9 Millionen Zuschauern doch gut.
Sie war nicht schlecht, ja. Es war kein Flop. Aber ich bin natürlich verwöhnt. Bei unserer letzten gemeinsamen Produktion »Silberhochzeit« waren wir noch bei fast sechs Millionen Zuschauern. Und wie das so ist, Sie bekommen die Zahlen am nächsten Morgen und lesen, dass eine Show wie »Bauer sucht Frau«, die parallel zu uns lief, fast acht Millionen Zuschauer hatte.
Sie könnten ja auch sagen: Mit »Bauer sucht Frau« will ich mich gar nicht erst vergleichen lassen.
Ich will »Bauer sucht Frau« aber nicht einfach das Terrain überlassen! Ich hoffe nur, dass es auch genug Komplizen gibt auf der Seite der Sender, bei den Produzenten, die den Platz um 20 Uhr 15 weiterhin für das Qualitätsfernsehspiel verteidigen.
Wie ist das eigentlich, wenn Sie einen Film mit sich selbst im
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