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Ein Jahr – ein Leben

Ein Jahr – ein Leben

Titel: Ein Jahr – ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Berben , Christoph Amend
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andere Filme drehe, Filme, die junge Menschen oft nicht mehr interessieren. Bei den Fans bin ich mittlerweile in der Großelterngeneration angekommen, das passt, ich bin ja selber nun auch schon seit elf Jahren Oma. Das Privileg, bei den Dreharbeiten einen eigenen Stuhl mit Namen zu haben, habe ich früher immer mit dem Witz begleitet: »Ah, Oma setzt sich mal!« Heute ist es kein Witz mehr.
    Höre ich Wehmut?
    Ja, Wehmut schwingt mit. Ich stelle bei den Rollenverteilungen fest, dass ich in Filmen mittlerweile die feschesten Söhne habe, aber sie sind eben nicht mehr meine Liebhaber. Das Drehen ist insofern eine gute Schulung, um zu begreifen, wie man von außen gesehen wird. Ich gebe aber zu: In mir drin hinke ich dieser Entwicklung manchmal noch etwas hinterher. Ich fühle mich noch immer nicht ausschließlich als Mutter. Ich bin schon noch ganz gern die Liebhaberin. Aber es finden sich nicht viele Drehbücher, in denen der Liebhaber zehn oder zwanzig Jahre jünger sein kann, ohne dass blöde Klischees erzählt werden. Es gibt erwachsene Liebesgeschichten, wie etwa dieser wunderbare Film »Satte Farben vor Schwarz« mit Senta Berger und Bruno Ganz, aber die sind selten. Dabei hört doch die Liebe mit 60 nicht auf. Dieses Gefühl des Verliebtseinwollens endet nicht von einem Tag auf den anderen! Man muss nur aufpassen, sich nicht lächerlich zu machen. Aber, fürs Protokoll, bitte schön: Noch bin ich nicht unsichtbar.
    Was man auch daran erkennen kann, dass die beiden Männer die ganze Zeit still in ihrer Ecke gesessen und ihre Zeitungen kein einziges Mal umgeblättert haben. Jetzt stehen die beiden auf, nehmen ihre Mäntel und gehen in den Gastraum, vermutlich um ihren Arbeitgeber zu begleiten, der das Café Einstein verlässt. Wir sind wieder allein.
    Frau Berben, Sie sind in Detmold geboren. Wann waren Sie zuletzt dort?
    Zum ersten und bislang letzten Mal 45  Jahre, nachdem ich von dort weggezogen bin. Ich habe das Musiktheater in Detmold mit einer Lesung wiedereröffnet. Ich bin zu dem Haus, in dem ich groß geworden bin, gefahren, Emilienstraße 13 , eine immer noch sehr schöne Villa aus der Gründerzeit. Oliver hat mich begleitet. Ich fand es schön, ihn mit auf diese Reise zu nehmen. Ich habe ja immer gedacht, ich sei frei von Sentimentalitäten, Herkunft, Heimatgedanken. Wir sind mit dem Auto von Berlin gefahren, Oliver am Steuer. Später hat er mir gesagt: »Je näher wir Detmold kamen, desto mehr hast du von deiner Kindheit erzählt.« Das war mir gar nicht bewusst. Ich bin also nicht ganz so lässig und unbeteiligt gewesen, wie ich das von mir selbst gedacht hätte. Früher habe auch ich immer gesagt: Heimat ist da, wo ich gerade bin. Oder: Film ist meine Heimat. Aber als ich dann vor dem Haus in der Emilienstraße stand, dachte ich: Was wäre gewesen, wenn ich hiergeblieben wäre? Wer wärst du dann? Wie würdest du leben, was würdest du arbeiten? Solche Spiele in der Phantasie tun einem ganz gut.
    Warum?
    Nicht um zu begreifen, was für ein luxuriöses Leben ich heute führen kann, das ist mir sehr bewusst, sondern eher, weil einen solche Gedanken lebendig halten, in Bewegung. An dem Abend der Eröffnung des Theaters bin ich natürlich auch Menschen in meinem Alter begegnet, und dann denke ich, vielleicht ist hier der eine oder andere, der sich selbst Grenzen gesetzt hat für das eigene Leben. Das meine ich nicht wertend, es ist nur eine andere Art zu leben.
    Sie haben sich nie Grenzen gesetzt.
    Als junger Mensch, nein. Ich konnte mir alles vorstellen. Ganz radikal und in jede Richtung.
    Sie waren vier Jahre alt, als Ihre Mutter mit Ihnen Detmold verlassen hat.
    Ja, sie hat mich in die Tasche gepackt – und weg. Interessanterweise sind meine schönsten Kinderfotos aus diesen vier Jahren in Detmold. Ich habe sie alle noch. Das lachende, rotzige Mädchen, das sich auf die Bank stellt und in Richtung Kamera strahlt, mit riesigen Locken – wenn ich das Foto heute sehe, muss ich sagen: Posen kann sie ganz gut, die Kleene.

    Wer war der Fotograf? Ihr Vater?
    …
    Sie schweigen?
    …
    Sie schweigen. Reden wir also weiter über die Bilder. Sie klingen ehrlich erstaunt, wenn Sie die kleine Iris von damals beschreiben.
    Als ich die Fotos nach Jahrzehnten wieder in der Hand hatte, war ich das auch. Ich dachte beim Anschauen sofort: Dieses Mädchen will gesehen werden.
    Es will Aufmerksamkeit.
    Ja, wahrscheinlich ist es das. Das kleine Mädchen will, dass man hinguckt, ganz klar.
    Gute Voraussetzungen, um als

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