Ein Jahr – ein Leben
Argentinien gesagt haben soll: »Politische Gefangene habe ich nicht gesehen«, wäre von Philipp Lahm undenkbar.
Wir leben heute in einer besser vernetzten Zeit, in der auch Fußballspieler und Fußballverbände politische Haltung zeigen müssen. Gestern habe ich mich wieder gefreut, als ich gesehen habe, dass während der Übertragungen immer wieder das »Respekt« zu sehen ist. Ich mag das Wort. Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen dem Respektieren und dem Akzeptieren von Menschen und von gesellschaftlichen Entwicklungen. Akzeptieren ist das unterste Level dessen, was man erwarten darf. Respektieren geht viel weiter. Auch die kurzen Reden der Kapitäne vor den Spielen haben mir gefallen. Vielleicht bin ich da naiv, aber ich glaube, dass solche kleinen Gesten einen großen Effekt haben können. Natürlich war ich gestern Abend vor allem todtraurig, dass meine Portugiesen wieder ausgeschieden sind. Portugal hat noch nie einen Titel gewonnen, und dieses Land mit seinem ohnehin schon traditionell gebrochenen Selbstbewusstsein wird auch diese Niederlage wieder demütig ertragen.
Frau Berben, gerade ist ein Interview mit Ihnen erschienen, in dem Sie bekennen: »In der Küche bin ich ein Despot.«
Ja, und das stimmt sogar! (lacht)
Man beachte die männliche Form: Despot, nicht Despotin.
Ein paar männliche Eigenschaften zu haben ist doch nicht schlecht.
Viele Menschen kochen gemeinsam …
… das kann ich überhaupt nicht. War immer schon so. Ich will mich beim Kochen auch alleine schneiden, wie Sie hier an meiner Hand sehen können, die Schnittwunde ist von gestern Abend. Kochen ist für mich Meditation. Vor ein paar Tagen hatte ich ein Essen bei mir zu Hause, für acht Leute. Die Einladung hatte den Titel »Die einen wollen reden, die andere will kochen«. Wir hatten ein internes Gespräch mit der Filmakademie. Die Küche in meiner Wohnung ist eine Ebene über dem Platz, wo die Tafel steht, an der alle sitzen. Und da die Wohnung so offen geschnitten ist, war ich von der Küche aus immer mit einbezogen. Es gab fünf Gänge.
Fünf.
Ich mag das! Die Vorbereitung, das Einkaufen, wann muss was wie fertig sein. Da würde mich jeder andere stören. Ich will dabei auch nicht reden. Ich möchte alles alleine machen. Ich liebe es zu organisieren, nach meinen Regeln. Ich genieße selbst den blöden Abwasch. Meine Gäste dürfen nichts helfen, nichts abtragen, in der Küche. Nix da. Gäste sind Gäste.
Sind Sie selbst ein guter Gast?
(flüstert) Ich gehe so ungern in private Häuser.
Sie flüstern ja.
(seufzt) Ich weiß auch nicht warum. Ich wohne auch bei Menschen ungern privat. Das war immer schon so. Treffen in Restaurants, Cafés: klappt.
Neutrales Terrain.
Aber ich bin ein guter Gast. Ich war zum Beispiel einige Male bei Mario Adorf in Saint-Tropez, das fand ich wunderbar, die Mischung der Leute, die Lässigkeit. Vielleicht liegt es daran, dass ich das Südliche eher mag. Bei uns ist es manchmal etwas …
… steif?
Vielleicht ist es das. Vielleicht habe ich auch nur eine Meise.
Sie sind lieber Gastgeberin als Gast, Sie überraschen lieber, als überrascht zu werden.
Ich schenke auch lieber, als Geschenke zu bekommen. Geschenke zu bekommen ist schön. Aber noch schöner ist es für mich zu schenken, weil es immer auch ein Geschenk an mich selbst ist, dieses schöne Gefühl, das man dabei hat.
Als wir uns das letzte Mal getroffen haben, waren Sie voller Vorfreude auf die Reise mit Ihrem Sohn nach Kalifornien.
Das gemeinsame Erlebnis war unbeschreiblich. Denn welcher 40 -jährige Sohn fährt schon allein mit seiner Mutter in Urlaub? Darüber habe ich natürlich nachgedacht. Macht er das ausschließlich für mich? Oder bedeutet ihm das auch etwas? Ist das nur mühsam für ihn, das Geschenk zu einem runden Geburtstag seiner Mutter? Wenn es für ihn anstrengend war, habe ich diese Anstrengung nicht wahrgenommen. Und dafür habe ich recht gute Sensoren. Wir hatten einen festen Tagesablauf, er ist wegen der Zeitverschiebung ohnehin jeden Morgen um fünf aufgewacht, hat am Computer seine Büroarbeit gemacht, und dann hatten wir den ganzen Tag für uns.
Es war also so schön, wie Sie es sich erhofft hatten?
Es war mehr als das. Wir haben uns auf eine innige und neugierige Weise aufeinander eingelassen. Wir haben geredet, wir haben uns umgeschaut, und wir haben im Auto laut die Songs im Radio mitgesungen.
Wie hat die Reise begonnen?
Ich kam aus Luzern nach München, in der Schweiz wurde mir die Rose
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