Ein Jahr in Australien
artig zugeschnürt und sah aus wie die Wäschesäcke im Hotel. Damit lag ich gar nicht so schlecht: Darin waren weiße Badetücher, Trockentücher, Bettlaken, Kopfkissenbezüge. Wo kam das her? Mein importierterAnrufbeantworter blinkte und meldete in blechernem Computer-Deutsch: „Sie ha-ben – eine – neue Nach-richt.“ Beep. Im Hintergrund tönten Lautsprecheransagen. „Hey, babe“, das war die Stimme des Nomaden. „Ganz vergessen zu sagen, der Beutel hinter der Tür, der ist für dich. Evita im Hotel hat ausgemistet, hat alles nur Minilöcher oder kleine Fehler, dachte, du könntest das brauchen. Frisch gewaschen ist es auch, ganz wie deutsche Fräuleins es mögen ... O.k., got to go now, sonst geht der Flieger ohne mich. Take care!“ Beep. Beep. Beep. Ich schüttelte den Kopf und grinste. So ein Spinner! Dann musste ich doch noch mal schlucken. Aber halt, das galt jetzt nicht. Ich sah auf den Stapel frischer Handtücher. Genau! Das war ein klassischer Moment für pazifische Wasser-Therapie. Meer und Salz, hieß es, waren voll von positiven Ionen. Oder so. Ich hatte mir einen Sprung ins Meer in jedem Fall verdient.
April
In puncto Benehmen waren Australier das genaue Gegenteil ihrer sprunghaften Wahrzeichen: wirklich nett. Dass ich nach gut acht Wochen in Sydney schon einen so gewagten Vergleich zwischen Mensch und Tier anstellen konnte, verdankte ich meiner Familie. Denn natürlich sind Kängurus in Viermillionenstädten selten. Selbst in Australien. Aber ich konnte einfach am Telefon nicht mehr zugeben, dass ich noch immer keinen einzigen Vertreter der putzigen Beuteltiergattung „in echt“ gesehen hatte. Vor allem die jüngeren Mitglieder meiner Verwandtschaft waren felsenfest überzeugt, ich träfe schon morgens auf dem Weg zum Bäcker ein paar Känguru-Familien. Und waren enttäuscht über meine Ignoranz. Der Nachwuchs war übrigens auch der Meinung, dass in Bondi Krokodile und Schlangen lebten. In dem Fall blieb ich unbestechlich, aber zu einem Beweisbild in Sachen Känguru hatte ich mich überreden lassen. Mein nächstgelegener Jagdgrund für die Fotosafari war Sydneys Taronga Zoo, wo die Tiere einen Millionen-Dollar-Blick auf Hafenfähren, glitzerndes Wasser und Oper genossen. Sehr freundlich stimmte sie die schöne Aussicht allerdings nicht. Im Gegenteil, ich fand die graubraunen Kerle rabiat und ungalant. Ständig schubsten sie sich gegenseitig, boxten mit den Vorderpfoten aufeinander ein und, was für meine Mission schlimmer war: Sie drehten mir den Rücken zu, sobald ich auf den Auslöser drücken wollte. Kaum hatte ich den „Joey“ genannten Bewohner des Beutels scharf gestellt, duckten sichdie Biester zum Äsen ins Gras. Zwei Filmrollen später war ich entnervt und erschöpft. Wirklich, diese Australier waren keine Spur entgegenkommend.
Ganz anders verhielten sich die sprechenden und aufrecht gehenden Aussies, mit denen ich zum Glück mehr zu tun hatte. Die waren wirklich umgänglich. Zwar drängten sie nicht jedem gleich ihre Telefonnummer auf oder gaben einem Minuten nach dem ersten Hallo das Gefühl, der älteste Kumpel zu sein, wie es mir in den USA oft passiert war. Eher waren sie auf eine unaufdringliche, lässige Art hilfsbereit und angenehm. Und ihre Umgangsformen waren nicht nur besser als die ihrer hopsenden Wappentiere, sondern auch als die vieler Europäer. Vielleicht lag es auch nur am Exotenbonus oder an der Sprache. Aber in meinem Zeitungsladen in Hamburg hatte ich jahrelang allmorgendlich nie mehr als „Tach. Zweifuffzich !!!“ gehört. Meist wurde die Zahl gebellt, Betonung auf dem fuff . Das „Hello dear, lovely day, isn’t it“, mit dem ich im „North Bondi Convenience Store“ schon nach einer Woche begrüßt wurde, klang jedenfalls hübscher.
Mir war allerdings oft nicht klar, wie viel Antwort auf ein „Hi, how are you doing?“ nun eigentlich erwartet wurde. Dass das „wie geht’s?“ keine Aufforderung war, eine ausführliche Analyse meiner momentanen Befindlichkeit zu liefern, hatte ich schon mitbekommen. Ein möglichst flottes „Good, thanks. How are you?“ schien als Antwort ausreichend. Letzteres wurde am besten stark genuschelt und klang dann eher wie „hauw-ai-jah“. Viel mehr war nicht nötig, aber viel weniger durfte es scheinbar auch nicht sein. Das von mir bevorzugte „Okay“ als Antwort auf ein „how are you?“ war eindeutig zu knapp. Das hatte mir Sebastian im Hotel gesteckt. Natürlich erst auf wiederholtes, bohrendes Bitten
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