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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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meinerseits: Nie würde ein Australier einen Ausländer unaufgefordert verbessern oder belehren. Das vertrug sich nicht mit der nationalen „Easy-going“-Devise, die so viel bedeutete wie „jeder,wie er mag“ oder „leben und leben lassen“. Aber ich hatte Sebastian nach Abreise des Prinzen zu meinem inoffiziellen Berater in Sachen „Australien für Anfänger“ erklärt. Eine Aufgabe, die ihm offenbar Spaß machte. Als Erstes hatte er mich in die australische Leidenschaft der Namensverstümmelung eingeweiht: Aus Sebastian wurde unter Freunden Seb, nur Feinde würden einen Rodney nicht Rod nennen, ein Timothy hieß natürlich Tim, und aus Alison wurde Al. So weit war es noch einfach. Schwieriger fand ich, dass, wer einen kurzen Namen hatte, um jeden Preis eine Verlängerung bekam: John wurde Johnno, Tom zu Thommo, Rob zu Robby, Al zu Ally. Dann waren da noch die Barrys, die Bazza gerufen wurden, wobei das doppelte „z“ wie ein sanftes „s“ klang, und Sharon, zu der jeder Shazza sagte. „Grundsätzlich ist es immer gut, ein ,o‘ an den Namen zu hängen“, führte Seb geduldig aus. „Es sei denn, dein Freund heißt Antonio, dann wird er natürlich zu Ant oder zu Tony und dann Tones.“ Ah, alles klar, vielen Dank, Seb, Sebbo, Sebby, was täte ich ohne dich?!
    Da ich die Sache mit dem ,How are you?‘ nun unbedingt so genau wissen wollte, hatte mich Seb auch darüber aufgeklärt. Mein „Okay“, begann er vorsichtig, sei, nun ja, etwas muffelig, eventuell aber auch besorgniserregend. Es läge so eben gerade eine Stufe über „Mir geht’s miserabel, lass mich bloß in Ruhe“. Als Alltagsantwort sei das etwas ruppig. „Fine“ hingegen sei passabel, „Fine, thanks, how are you?“ noch besser. Falls ich richtig australisch klingen wollte – und das wollte ich natürlich –, sollte ich es mal mit „great“, „fantastic“ oder „excellent“ probieren. Großartig, fantastisch, ausgezeichnet? War das nicht ein bisschen dick aufgetragen für einen normalen Montagmorgen? Keine Spur, versicherte Seb und nickte: „no worries“ – die australische Standardformel, die an sich „keine Sorge“ bedeutete, aber auch für „logisch, alles klar, mach ich, prima, gern geschehen, kein Problem“ genommenwerden konnte. Fantastic! Ich begann zu üben. Great! Zwar verstand ich das lässig zerknautschte Englisch des fünften Kontinents oft erst nach dreimal Hinhören. Aber „australisch“ zu klingen erschien mir trotzdem erstrebenswert.
    Deutsche Einwanderer, das hatte ich morgens in Sydneys Multikulti-Radio SBS gehört, seien laut einer Studie im Vergleich zu anderen Ausländern die Eingliederungskünstler schlechthin. Sie lernten die Sprache am schnellsten und neigten weder zur Ghetto-Bildung noch drapierten sie Flaggen in ihre Fenster. Zudem wollten sie, kaum angekommen, schon nicht mehr als Germanen erkannt werden. Da war ich vermutlich keine Ausnahme. Und ganz nebenbei ging mir auf die Nerven, dass ich immer wieder höflich auf drei mit schöner Regelmäßigkeit wiederkehrende Fragen antworten musste: Wie lange bist du schon hier? Wie lange bist du noch hier? Wie gefällt dir Australien? Ein leichter Aussie-Akzent, so spekulierte ich, könnte das vermeiden helfen. Abgesehen davon würde es niemandem schaden, wenn ich etwas freundlicher wäre, oder wenigstens netter klingen würde.
    Zu dem Typen, den ich neulich beim Surfen getroffen hatte, war ich vermutlich etwas zu nett gewesen. Zuerst hatte ich auf sein „how’s-it-going-mate“ mit „fantastic“ geantwortet, was an diesem strahlenden Tag sogar exakt der Wahrheit entsprach. Dann hatten wir beim Rauspaddeln geplaudert, wobei er mir verriet, dass „Mate“ kein Vorname war, sondern dass man etwas salopp jeden so nennen konnte. Praktisch sei „mate“ vor allem für Leute, deren Namen man nicht wusste. Aber auch Freunde könne man so nennen. Er selbst hieße übrigens Rob (ich tippte auf Robert, aber wer weiß, vielleicht war es auch Robin). Und dann hatte ich natürlich die Wie-lange-schon-hier-Frage beantworten müssen. Ein paar Tage später saß ich in der Abendsonne vor „Speedo’s Café“, studierte abwechselnd den Anstieg der See von Süden und meine Zeitung, als mir Rob auf die Schulter tippte. Er fixiertemich aus aquariumgrünen Augen und beklagte sich scherzhaft, ich könne ihn wenigstens grüßen, nachdem wir nun schon „Surf-Mates“ seien. Dabei war ich ausnahmsweise gar nicht unhöflich, ich hatte ihn nur trocken und an Land

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