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Ein Jahr in New York

Titel: Ein Jahr in New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Sieger
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wie in Los Angeles. Am liebsten blieben sie dabei unter sich.„Im Sommer darf man nur am Strand parken, wenn man einen Anwohnerausweis besitzt“, erzählte Valerie, „oder man muss sich schon Monate vorher für die Saison eine Parkgenehmigung holen, die fast dreihundert Dollar kostet.“ Und von der Innenstadt mit Strandausrüstung hierher zu laufen war so gut wie unmöglich. Deshalb war der Strand so schön leer und quoll nicht über wie an anderen Orten.
    „Ein paar Tage in dieser Idylle, und man ist davon überzeugt, dass in der Welt alles in bester Ordnung ist. Global Warming, Drogen, Armut, Rassismus – ich habe schon nach fünf Tagen vergessen, dass so etwas überhaupt existiert“, unkte Val.
    „Wenn man seine Sommerwochenenden hier verbringt, kann ich auch verstehen, dass man die Stadt niemals leid wird. Aber ohne die Möglichkeit, zwischendurch mal tief einzuatmen und auch mal wieder einen Baum zu sehen, der nicht rundum einbetoniert ist, treten bei mir schon jetzt erste Verschleißerscheinungen auf. Als ich vorhin aus dem Bus gestiegen bin, habe ich nach langer Zeit mal wieder gespürt, dass Luft tatsächlich Sauerstoff enthält“, meinte ich und grub meine Zehen tief in den kalten Sand.
    „Die Hamptons sind natürlich das Nonplusultra, und leider kann man sich nicht jedes Wochenende in den Bus setzten, um hier mal einen Nachmittag am Strand zu liegen. Aber dafür gibt es zigtausend andere Strände rund um New York. Nicht ganz so malerisch wie dieser, aber dafür schnell erreichbar. Nach Coney Island kannst du sogar mit der U-Bahn fahren“, erwiderte Val. „Und mit riesigen Sozialbauten im Rücken und Dosenbier trinkenden Nachbarn in der Sonne brutzeln“, konterte ich scherzend. „Champagner in Gläsern und eine Überdosis Idylle findest du zwar nur hier“, sagte Val und deutete mit ihrem Kopf in Richtung Dünen, wo gerade eine Großfamilie einen Sektempfang fürein fünfzigjähriges Geburtstagskind aufbaute, im Landhausstil mit blau-weiß karierter Stofftischdecke und kleinen Blumensträußchen, „aber das Meer in Coney Island ist dasselbe!“
    Sie hatte Recht. Außerdem gab es dort einen skurrilen Vergnügungspark, den Noelle und ich vor ein paar Wochen besucht hatten. Anfang des 20. Jahrhunderts war die Promenade mit den vielen Karussells und Buden eine Attraktion, die jährlich Millionen Besucher anzog. Die vergangenen glorreichen Zeiten ließen sich zwar in Ansätzen noch erahnen, aber der Verfall der letzten Jahrzehnte hatte seine Spuren hinterlassen. Der Park war mittlerweile eher ein vernachlässigtes und verwelktes Stück Geschichte, aber trotzdem noch in Betrieb und eine unterhaltsame Sehenswürdigkeit. Das damalige Highlight „The Cyclone“, eine klappernde, hölzerne Achterbahn, stand mittlerweile sogar unter Denkmalschutz, auch wenn es noch immer seine Runden drehte. Das Ganze sah aus wie ein gefährliches antikes Möbelstück, und selbst Noelles sonst sehr überzeugenden Überredungskünste konnten mich nicht dazu bewegen, dort einzusteigen.
    „Und so schön dieser Spielplatz der Superreichen auch ist, in Coney Island findet man den wirklichen Spirit New Yorks. Dort liegt der ‚Melting Pot‘, von dem immer alle schwärmen, am Strand“, verteidigte Val den Badeort fürs Volk. Darauf konnte ich nur zustimmend nicken. Aus allen Stadtteilen, Kulturen und Bildungsschichten strömten die „Locals“ im August an den breiten Sandstrand, und ein demokratischer Vielvölkermix kühlte sich gemeinsam im Atlantik ab. Die Großfamilie aus Puerto Rico genauso wie die polnischen Teenager, die hoffnungslos an ihrem Teint arbeiteten und mit den italienischen Jungs auf der Nachbardecke flirteten. Die Chinesen erkannte man schon ausder Ferne. Aufgrund ihrer Sommersprossenphobie spazierten sie mit kleinen Schirmchen bewaffnet am Wasser entlang, während Kinder verschiedenster Hautfarbe gemeinsam und kreischend im Meer planschten. Selbst Touristen aus Europa verirrten sich gelegentlich zum Sonnenbaden nach Coney Island. Aber trotz aller Harmonie der Nationalitäten wurde der Strand an solchen Sommertagen von halbnackten Menschen und bunten Sonnenschirmen überflutet und sah aus wie ein humanes Schlachtfeld. Besonders abends, wenn die sonnengesättigten Scharen in die Stadt zurückkehrten und ihre leeren Bierdosen, Zeitungsreste und sonstigen Abfall vom Tag im Sand „vergaßen“.
    Coney Island ist allerdings nur eine von vielen Rückzugsmöglichkeiten der Einheimischen. New York ist von

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