Ein Jahr in New York
anonym, intim – die Stadt lebt von Gegensätzen, die Reibung erzeugen. Und Reibung erzeugt Wärme.“ Noelle war davon fasziniert, dass man hier einfach so hinter Maggie Gyllenhaal im Kino saß oder neben Michael Douglas mittags im Rockefeller seinen Salat bestellte oder Alice Cooper beim Dinner im zeitlosen Klassiker „Indochine“ traf oder mit Drew Barrymore bei Whole Foods an der Kasse stand. Ja, auch jede Menge Filmstars lebten in New York.
Die schönste Liebeserklärung, die ich finden konnte, war ein Buch. Verfasst von dem Autor E. B. White, vor mehr als einem halben Jahrhundert. In seinem literarischen Spaziergang „Here is New York“ hat er es geschafft, das Lebensgefühl der New Yorker mit 7500 Worten in all seiner Komplexität zu erfassen. „Es gibt weder genug Luft noch Licht, es ist entweder zu heiß oder zu kalt. Aber die Stadt macht alle Katastrophen, alle Mängel wieder gut, indem sie ihre Bewohner mit einer Überdosis Ergänzungspräparat versorgt – das Gefühl, zu etwas zu gehören, das einzigartig, kosmopolitisch, mächtig und beispiellos ist.“ White wäre sicher begeistert gewesen, hätte er gewusst, dass New Yorker auch fünfzig Jahre später noch haargenau das Gleiche empfinden. Für mich war die Stadt ein großer Kompromiss. Aber der Schönste, den man eingehen konnte.
Das Spiegelbild der Skyline tänzelte auf dem East River. Wir standen Manhattan direkt gegenüber. Dort, wo einem New York zu Füßen lag. Wo sich die oberflächlichen Aspekte des Lebens verflüchtigten. Wo Justin mir das erste Mal den erdenschweren Satz mit drei Worten ins Ohr geflüstert hatte. Wo Sehnsucht und Erfüllung miteinander verschmolzen und Fern- und Heimweh plötzlich dasselbe waren. Wo ich eine Entscheidung traf. Ich blieb.
ENDE
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