Ein Jahr in Paris
habt ihr’s hier!“
„Ja, nicht wahr. Also dann, ich muss los. Danke für den Kaffee.“ Komischer Kerl, passt gar nicht zu Alix, dachte ich, während ich durch die leeren Straßen lief, um rechtzeitig fürdie erste Busladung japanischer Touristinnen bei meinen BHs zu stehen (was völlig umsonst war, da sie zwar immer fürchterlich kicherten, wenn man versuchte, ihnen die Vorteile eines französischen Strumpfhalters zu erläutern, aber nie einen kauften). Mit Baptiste jedenfalls schien ich Recht zu haben, denn er ward in der Folgezeit nicht wieder in unserer Küche gesehen.
„Sag mal Alix, wo gabelst du diese Typen eigentlich immer auf?“ Warum nicht eine Expertin fragen, dachte ich mir.
„Ah! Tu cherches un Jules?!“
Ich lief rot an. So durchschaubar hatte ich eigentlich nicht sein wollen.
„Weißt du, es ist nicht SO einfach.“
„Wie bitte?“
„Ich weiß ja nicht, wie es bei euch in Deutschland normalerweise so läuft. Aber sieh dir die Vereinigten Staaten an: Gibt es etwas Banaleres als das date ? Man sagt: I put you on an date. Und alle Beteiligten wissen schon Bescheid. Und falls der Abend gut läuft, ist man verlobt.“ Man konnte ihr ansehen, dass sie von dieser Taktik genauso viel hielt wie von einem Big Mac.
„Paris kann ziemlich anonym sein. Ziemlich einsam. Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche. Auch wenn es vielleicht nicht so aussieht.“ Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung ihres Schlafzimmers.
„Hast du es schon mal auf dem Markt am Boulevard Raspail versucht? Da laufen ganz Hübsche herum.“
Irgendwann später. „Hilfe, Alix. Ich habe ein Rendezvous. Was mache ich denn jetzt?“
„Kannst du dir vorstellen, mit ihm ins Bett zu gehen?“
„Wieso ins Bett? Es ist unsere erste Verabredung.“
„Pauvre biche innocente! 17 Was macht ihr denn da in Deutschland?“
„Nun“, sage ich würdevoll. „In Deutschland ist es durchaus möglich, einen schönen Abend zu zweit zu verbringen und trotzdem allein nach Hause zu kommen. Ich kenne viele Männer, mit denen ich allein ausgehe. Aber nicht ins Bett. Wir sind einfach nur befreundet.“
„Wie langweilig.“ Alix ist unmöglich. Sie will mich provozieren.
„Also pass auf“, sagt sie. „Es gibt la drague und le rendezvous , den Flirt und die Verabredung. Flirten tun wir alle, immer. Es ist unser Nationalsport, der von allen Franzosen zwischen sieben und 77 Jahren täglich und überall praktiziert wird. Und ich kann dir sagen: Es macht das Leben angenehmer. Beim Rendezvous ist es was anderes. Dabei geht es nicht um den Film oder das Abendessen etc. Und dieses Freundschaftsding kannst du sowieso vergessen. In Frankreich gehen Mann und Frau nicht allein miteinander aus, es sei denn, sie wollen etwas voneinander oder sind bereits ein Liebespaar.“
„Gaetano geht auch mit mir aus, ohne etwas von mir zu wollen“, werfe ich ein. Alix schenkt mir einen langen, unergründlichen Blick, den ich nicht deuten kann.
„Und wie ziehe ich mich jetzt elegant aus der Affäre?“
„L’homme propose et la femme dispose“ , 18 antwortet sie leichthin. „Du kannst nach dem Essen Migräne bekommen – die Hitze, die schlechte Luft, der Sancerre, irgend so was. Und dann bittest du ihn, dir ein Taxi zu besorgen. Er ist doch kein Südfranzose?“
„Nicht, dass ich wüsste. Warum?“
„Na, dann ist gut. Wenn er Stil hat, gibt er dir seine Telefonnummer, hält dir die Wagentür auf und bringt die Sache würdevoll zu Ende. Mit Südfranzosen ist es komplizierter. Die halten sich für absolut unwiderstehlich. Denen kannst du zehnmal sagen, dass es aus ist, und sie glauben immer noch, du würdest dich nur ein bisschen zieren. – Apropos, wenn Nicholas anruft: Ich bin nicht da. Ich bin weggefahren und ihr wisst nicht, wann ich wieder komme.“
Französisch für Anfängerinnen I
Hier einige Basisratschläge:
– Alix erwähnte es bereits, aber da es wichtig ist, will ich es wiederholen: Vermeiden Sie jede Form von Schwere. Seien sie: witzig, schlagfertig, subtil. Denken Sie daran: Der Flirt à la française ist eine kurze Berührung von Geist und Seele. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.
– Wenn Ihnen ein Franzose, den Sie noch nie in Ihrem Leben gesehen haben, auf offener Straße sagt, dass sie a) schöne Augen, b) schöne Beine oder c) eine wundervolle Figur haben, dann nehmen Sie das bitte auf jeden Fall als Kompliment. (Auch wenn ein ähnlich gelagerter Fall in Deutschland bereits als Tatbestand sexueller Belästigung
Weitere Kostenlose Bücher