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Ein Jahr in Paris

Titel: Ein Jahr in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silja Ukena
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da in dieser Stadt ja auch ägyptische Obelisken herumstehen, wundern Sie sich nicht wirklich. Die Skulptur trägt den Titel „Flamme de la Liberté“. 20 Zu Füßen ihres Sockels liegt immer eine rote Rose und vergeht in der Hitze der Abgase.
    Meine Güte, die Franzosen. Müssen die immer gleich so übertreiben?
    Weit gefehlt. Denn eines schönen Tages im August sehen Sie sich plötzlich mit einem Haufen Blumen konfrontiert. Und es ist nicht la Liberté , der hier gehuldigt wird. Sondern Prinzessin Diana von Wales, die hier am letzten Tag des Monats August 1997 im Tunnel unter dem Asphalt ihren tragischen Tod fand. Die Flamme der Freiheit like a candle in the wind. Dianolâtres nennt der Pariser, der sich über jeden Anlass freut, einen neuen Begriff erfinden zu können, die Pilger aus aller Welt, die hier in schöner Regelmäßigkeit auf der Verkehrsinsel erscheinen, um den Ort des Unglücks zu besichtigen. Interessant ist das international unterschiedliche Verhalten: Briten und Amerikaner bringen Blumen (dernächste Florist floriert dezent in 500 Metern Entfernung) und beten. Die spanischsprachige Welt bekreuzigt sich. Die Japaner machen ein Foto. Die Inder, die nur zufällig vorbeigekommen sind, verstehen nicht, was los ist, erkundigen sich und berichten das Gehörte dann aufgeregt der gesamten Reisegruppe. Anschließend wollen sie den Tunnel besichtigen. Ich weiß nicht, ob das die häufigste Todesart indischer Staatsbürger in Frankreich ist, aber der dort unten herrschende Verkehr legt es nahe. Und die Deutschen? „Du gugge mal, Norbert, da is de Dijana mi’m Dodi gschtorm un da ham ihr die Bariser so än Dengmal gsetzt. Nu gugge doch!“
    In diesem Moment bekommt der Begriff „fremdschämen“ für mich eine ganz neue Bedeutung. Aber das Gute an Paris ist, dass Platz für alle ist. Die nächste Station der Pilgertour ist dann meist das Café Grand Corona, von dessen Terrasse aus man einen guten Blick auf Flamme und Kreuzung hat. Im Grand Corona findet man an solchen Tagen die nettesten Garçons von ganz Paris. Geduldig und auf Wunsch auch auf Englisch beantworten sie detailliert und kenntnisreich alle nur erdenklichen Fragen zur Dramatik des Ortes. Unter dem emotionalen Eindruck, der diesen Schilderungen folgt, braucht der erschütterte Tourist dann gewöhnlich eine Stärkung ...
    Paris ist ein großes, heißes Gefäß, und auf dem Pont de l’Alma werden Tränen vergossen.

    Es ist ein früher, langweiliger Abend, als das Telefon klingelt. „Salut! Ça va?!“ , schreit Alix von sehr weit weg in ihr Handy. „Sag’ mal, hast du nicht Lust, am Freitag nach Saint Tropez zu kommen? Bibi und Patrice haben noch ein Zimmer frei. Und Steven Spielberg soll angeblich auch dieses Wochenende hier auftauchen. Dann wären wir in prima Gesellschaft. Was denkst du?“
    „Klingt toll, Alix. Aber ich kann hier bestimmt nicht weg. Der Job, du weißt schon.“
    „Ach, was. Es ist doch nur für ein paar Tage. Sag deiner Vorarbeiterin einfach, du müsstest dir die neusten Bikinimodelle ansehen. Bildungsurlaub! Und ich kann dir versprechen, was hier getragen wird, hat noch nicht mal den Weg in die Vogue gefunden, so heiß ist es.“
    Ich frage mich, wen um alles in der Welt Alix dort kennen gelernt hat, dass sie so redet. Aber, warum nicht? Bildungsurlaub. Und dann habe ich auch noch Glück, und es ist der stellvertretenden Abteilungsleiterin (Madame selbst ist natürlich im Urlaub) ziemlich egal, ob ich mal drei Tage fehle oder nicht. Et voilà , trete ich mit dem heißesten Bikinimodell, das unsere Abteilung im Angebot hatte (Mitarbeiterrabatt!), die viel zu weite Reise an die Côte d’Azur an.
    Und dann fällt mir die Katze ein. Merde , denke ich, auf Französisch versteht sich. Im Grunde ist das Viech ja selbst schuld. Denn wie soll man Verantwortungsgefühle jemandem gegenüber entwickeln, der sich permanent entzieht? Trotzdem muss etwas geschehen. Die Concierge natürlich, die hat einen Schlüssel. Sie wird nicht erfreut sein, andererseits hat sie sich damit bereits im August das Weihnachtsgeld verdient. Aber hat sie da unten in ihrer Loge überhaupt Telefon, und ehrlich gesagt, weiß ich nicht einmal ihren Namen. Bin ich jetzt auch eine von diesen Großstädterinnen geworden, die zwar wissen, wie man mit dem Handy Online-Banking macht, aber noch nicht mal die Namen ihrer Nachbarn kennen?
    Ein paar Gedankengänge und ein Gespräch mit der Auskunft von France Télécom weiter habe ich Monsieur Marcel am Apparat. Er

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