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Ein Jahr in Paris

Titel: Ein Jahr in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silja Ukena
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wird mich für verrückt halten – eine wildfremde Frau, die aus dem TGV nach Nizza anruft und darum bittet, der Concierge von gegenüber Bescheid zu geben, dass bei Piceurs im Fünften die Katze verhungert.
    „Aber natürlich Mademoiselle, der Kater von Monsieur Rossignol. Ich sage Madame Roland, dass sie nach ihm sieht. Machen Sie sich keine Sorgen. Au revoir, Mademoiselle. “
    Irgendetwas habe ich wohl mal wieder nicht mitbekommen. Nicht einmal gewundert hat er sich. Abgesehen davon, dass er sowohl die Concierge als auch Jean-Luc bestens zu kennen scheint. Mich wahrscheinlich auch, ich weiß es nur nicht. Ich frage mich, ob ich je schlau werde aus diesen Parisern, die es in der Metro nicht schaffen, einander in die Augen zu sehen, und dann aber plötzlich ohne ersichtlichen Anlass zu den hilfsbereitesten Menschen der Welt werden.

    Es ist ja schon ziemlich bescheuert, für einen Wochenendausflug 1800 Kilometer durch Frankreich zu fahren. Aber gegen den Weg von Saint Maximine nach Saint Tropez ist das ein Witz.
    Alix erwartete mich am Bahnhof in einem knallroten Jeep. Fast hätte ich sie nicht erkannt. Ihre blonden Haare sind in der Sonne fast weiß geworden. Sie trägt einen microjupe und sonst eigentlich nur braune Haut. „Fahr schon!“, faucht sie in Richtung unseres Vordermanns. Das könnte sie auch lassen. Denn wenn ein Wort nicht zu der Situation passt, dann ist das „fahren“. Schon „rollen“ wäre euphemistisch.
    „Gibt es keinen anderen Weg?“
    Sie schüttelt den Kopf. „Nein, das ist hier immer so. Es sind ja Ferien.“
    „Heißt das, dass ihr alle aus Paris flüchtet, um dann hier unten gemeinsam im Stau zu stehen?“

    Pünktlich zum Aperitif geben alle ein bisschen Gas, und wir kommen doch noch an. Saint-Tropez also.
    Saint-Tropez, das sind die Sonne, die Hitze, das Geld, das Gold, der Rausch und unwirkliche Tage, die mit demnormalen Leben nichts mehr zu tun haben. Manche zahlen dafür knapp 50 000 Euro. So viel kostet ein guter Liegeplatz im Hafen. Pro Woche, versteht sich. Andere zahlen 1700 Euro pro Tag. So viel kostet eine Suite im Hotel Byblos. Man kann auch nur hundert ausgeben. Dann bekommt man eine Flasche Champagner und etwas Leichtigkeit. Die ist gratis.
    Fragen Sie mich nicht, wie ich hier hineingeraten bin, zwischen all die Modelmädchen, Filmregisseure und Erben von Joghurt-Dynastien. Ich habe hier nichts verloren, und trotzdem trägt mich etwas fort, reißt mich mit in einen Strudel, aus dem ich 48 Stunden später wieder erwache.
    Zuerst ist da der Pool. Es ist mit Sicherheit der größte Pool, den ich je gesehen habe. Azurblau liegt er da, eine sanfte Wasserfläche, über die nur manchmal ein Windhauch weht. Um den Pool herum haben sich ein paar Gestalten drapiert, reglos wie Reptilien in der Mittagssonne.

    „Salut. “ Patrice hebt kaum merklich seine Hand. Er liegt in einen Deck-Chair gegossen, zwischen seinen Lippen balanciert eine Zigarette, und in der Hand hält er einen Drink. Sicher nicht der erste an diesem wunderschönen Nachmittag. Patrice ist jung und der großväterliche Panamahut auf seinem sonnenblonden Kopf nur eine Koketterie.
    Patrice ist schön. Die einzige körperliche Arbeit, die er jemals hat verrichten müssen, war das Workout-Programm seines Fitnessclubs. Und das Schönste: Patrice ist reich. Seinem Vater gehört eine Wurstfabrik, die den gesamten EU-Markt mit original französischen Pasteten beliefert. Ente, Schwein und Kalb à la Gourmet. Die Tiere hatten es nicht gut, bevor sie starben. Aber wen schert das. Seit die Marketingabteilung auf die Idee kam, den Schraubverschluss der Pastetengläser mit rot-blau-weiß karierten Stoffquadraten zu bespannen, läuft es prächtig. Hauptsache die Verpackung stimmt. Patriceist aufgewachsen in dem sicheren Wissen, dass, wie sehr er auch scheitern würde in seinem Leben, immer genug Geld da wäre.

    Dann kommt Bibi. Bibi ist Patrices Freundin. Eigentlich heißt sie Brigitte. Aber in Saint-Tropez kann man nicht mehr so heißen, seit Brigitte Bardot hier war. Gunter Sachs ließ hier für diese Frau von seinem Hubschrauber aus 30 000 rote Rosen niederregnen. So etwas ist nicht mehr zu überbieten. Also Bibi. In Paris ist sie Verkäuferin bei Kabuki in der Rue Etienne-Marcel. Aber da Kabuki la pointe de la mode ist, also überhaupt DIE Boutique schlechthin, heißt es natürlich nicht Verkäuferin, sondern „Shop-Assistant“. Bis vor einiger Zeit war Bibi eine große Anhängerin von Stella McCartney. Bis

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