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Ein Jahr in Stockholm

Titel: Ein Jahr in Stockholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Beer
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Bett schlummert und nun schlaftrunken fragt, warum wir ihn um Himmels willen um sein Nickerchen bringen würden. „Mann, Oskar, das Haus wäre fast abgebrannt. Und du gleich mit.“ – „Ach, erzählt mir doch keine Märchen!“ Wenig später ist er wieder eingeschlafen.
    Als Beweisstück dient am kommenden Morgen meine Skiunterwäsche, die auf dem Balkon kräftig Schwelbrand geatmet hat. Ich entsorge sie über die Luke auf dem Flur und stelle mir den Fahrer des Abfallunternehmens vor, wie er den Kopf schüttelt und sich denkt, irgend so ein Trottel hätte wieder den Sinn der Hausmüllschleuse nicht kapiert.

    Obwohl der Winter das Land fest im Griff hat, ist es höchste Zeit für påsk , das Osterfest. An kahlen Zweigen in den Vorgärten hängen Federbüschel, die mal an gepunktetes Gefieder vom Fasan erinnern, öfter aber so grell sind, als wollten sie noch zum Christopher Street Day oder zum Karneval nach Rio. Caro und ich entscheiden uns am Blumenstand auf dem Karlaplan für eine gute Mischung der beiden Extreme und fühlen uns dabei ungemein schwedisch. Somit wird der påskris , unser Osterreisig für die Fensterbank, zwarordentlich farbig, aber nicht geschmacklos – lagom also, genau richtig. Seit einigen Wochen haben wir dieses Lebensprinzip der Schweden verinnerlicht, das bedeutet, nicht zu viel und nicht zu wenig zu tun oder zu haben, sondern sich immer mittig auszupendeln. Denn auf dicke Hose zu machen, das liegt der Nation, die nach dem jantelagen funktioniert, dem Gebot zur Bescheidenheit, überhaupt nicht.
    Typisch unschwedisch genehmigen wir unseren Zweigen allerdings etwas Wasser, was in den Cafés und Restaurants der Stadt verpönt ist. Das hatte uns Sverker beim „Kennenlern“-Essen des Sprachkurses am dymmelonsdag (so viel wie „dumpfer Mittwoch“, an dem die Metallklöppel in den Kirchenglocken durch Holzstäbe ersetzt werden, um die stille Woche stilvoll einzuläuten) gedolmetscht: In öffentlichen Lokalen wie der alten Bierhalle des Pelikan auf Södermalm, wo wir uns getroffen hatten, dürfen aus Rücksicht auf Allergiker keine Knospen sprießen. Keine Extreme, kein Wasser: Schweden sind wahrlich Meister der Konfliktvermeidung.
    Tags darauf, am skärtorsdag (der Gründonnerstag ist hierzulande rosa), fliegen als Osterhexen verkleidete Kinder auf einem Besen durch unsere Straße. „Wo wollt ihr denn hin?“, frage ich das Mädchen mit den rötesten Wangen und den meisten Sommersprossen. „Till blåkullan“ , schreit es: „Zum Blocksberg! Dort feiern wir mit dem Teufel.“ – „Aber vorher müssen wir unsere Karten verkaufen“, mischt sich eine um die Ecke biegende Kollegin mit Warzenkinn ein, die mir ein Stück Pappe unter die Nase hält, auf das sie ein Ei aus Watte geklebt hat.
    Ich krame also ein paar Münzen und Bonbons aus meiner Tasche. Wohl zum Dank hämmert das Warzenkinn dreimal gegen einen Kaffeekessel, den es unter der Schürze versteckt hatte, und schwirrt von hinnen.
    Am Ostersonntag gibt es in der WG Lammkoteletts, Eier und einen Auflauf aus Kartoffelstiften, Zwiebeln undAnschovis, der sich Janssons frestelse , Janssons Versuchung, nennt. Oskar freut sich wie ein Schnitzel.
    Nach dem Essen suchen wir in der Wohnung Ostergeschenke. Es dauert eine Weile, bis Oskar die lila Aluohren eines Schmunzelhasen in Gunillas Bücherregal entdeckt und in seine Turnschuhe blickt, die Caro mit Knusperflocken ausgestopft hat, einem Knäckebrot-Schokoladen-Produkt, das erst die DDR und dann noch Oskars langwierige Suche überlebt hat. Zielsicher wie Trüffelschweine orten Caro und ich danach je ein Papp-Ei von Oskar. Darin liegen Papierschnipsel, die wir auf der Waschmaschine in die richtige Reihenfolge bringen:
    Påsk/Presenten/Finns/Nere/Till/Vänster/I/Oskars/Bok/Hylla/!
    Das / Oster / geschenk / ist / unten / links / in / Oskars / Bücher / regal / !
    Unter links versteht Oskar rechts. Dort finden wir einen kladdkaka , einen süßsaftigen Klebekuchen, und eine Flasche Weißwein. Skål!

    Ein paar Tage später finde ich einen ganz anderen Zettel in meiner Jackentasche. Es ist der, auf den Lars eine Telefonnummer notiert hatte. Da ich in dieser Woche schon das gesamte eingewanderte deutsche Pflegepersonal und eine schwedische Wallander-Darstellerin interviewt habe, nehme ich mir frei und rufe Matilda Sundin an. Anschließend mache ich mich auf nach Södermalm, der größten aller Zentrumsinseln.
    Unten im U-Bahn-Schacht erkenne ich zum ersten Mal, dass jede t-bana einen Namen trägt,

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