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Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Titel: Ein Jahr ohne Juli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Kessler
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nicht!«
    Alle drei starren mich an. Einen Augenblick lang glaube ich, dass ich zu weit gegangen bin. Aber Christine und Sally sind knallrot geworden und ich weiß, dass ich den Nagel auf den Kopf getroffen habe.
    Christine wirft die Haare zurück. »Fang bloß nicht an …«
    »Doch, ich fange wohl an!«, unterbreche ich sie. »Und ich bin noch nicht fertig.« Ich werfe Juli einen Blick zu. Sie starrt mich mit offenem Mund und großen Augen an. Soll ich doch lieber aufhören? Etwas an Julis Blick ist mir neu. Dann merke ich, was es ist: Bewunderung, Dankbarkeit, sogar Erleichterung! Das reicht, um mich anzufeuern.
    Ich drehe mich wieder nach Christine und Sally um. »Ihr seid gar keine echten Freundinnen«, sage ich. »An Juli liegt euch nicht wirklich was. Ihr wolltet nur immer in ihrer Nähe sein, weil sie so beliebt war und ihr fandet, dass es gut wirken würde, mit ihr gesehen zu werden, und jetzt wollt ihr doch nur, dass ein paar dämliche Jungs sehen, wie fürsorglich ihr seid, und deshalb auf euch aufmerksam werden.«
    Sally macht einen Schritt auf mich zu. »Jetzt halt mal die Luft an …«
    »Nein, ich halte nicht die Luft an!«, sage ich. Wut und Anhänglichkeit an Juli treiben mich weiter. Jemand muss das mal aussprechen – und das muss wohl ich sein. Diese schreckliche, furchtbare neue Wirklichkeit hat mir so viel genommen, dass ich sowieso nichts mehr zu verlieren habe, deshalb sage ich jetzt, was Sache ist.
    »Juli ist doch kein Orden, mit dem ihr euch schmücken könnt, und auch kein Posten auf der Gute-Taten-Liste, um Pfadfinderpunkte zu sammeln. Sie ist ein menschliches Wesen. Eine tolle Person. Sie ist die beste Freundin, die man sich nur wünschen kann, und wenn ihr das nicht begreift, dann seid ihr sogar noch dämlicher, als ich dachte!«
    Ehe sie die Möglichkeit haben, zu antworten, mache ich kehrt und gehe zu Juli zurück. Sie glotzt mich perplex an. »Tut mir leid«, sage ich. »Ich will dir keine Freundschaften kaputt machen, und wenn die beiden dir wirklich wichtig sind, dann entschuldige ich mich bei ihnen, sobald ich mich beruhigt habe. Aber das musste sein. Ich bin nicht bereit, herumzusitzen und diese Farce weiter mit anzusehen. Dafür bedeutest du mir zu viel.«
    Juli schluckt und sieht zu Christine und Sally hinüber. Sie sagt nichts.
    »Hör zu, ich will nicht, dass wir uns verkrachen. Niemals«, sage ich. »Wenn du das genauso siehst, dann komm doch nachher zu mir.«
    Juli antwortet immer noch nicht.
    »Wenn du nicht kommst, weiß ich, dass du nicht mehr mit mir befreundet sein willst, und ich lasse dich in Ruhe. Dann belästige ich dich nicht mehr.«
    Endlich nickt sie.
    »Okay«, sage ich verlegen. »Ich überlasse es dir.« Dann gehe ich los, zurück zu unserem Apartment, und ich merke plötzlich, dass ich immer noch keine Ahnung habe, was dort auf mich wartet. Ich weiß nur, dass ich in eigenes Territorium zurückkehren und etwas finden muss, das ich wiedererkenne – etwas, das mir hilft, mich in dieser verrückten, entsetzlichen Welt zurechtzufinden, in der ich gelandet bin.
    Ich brauche einen Ort zum Nachdenken. Ich muss allein sein. Ich muss einen Plan schmieden.

12

    »Bist du das, Jen?«, ruft die Stimme einer Frau, als ich die Haustür hinter mir schließe.
    Ich trete ins Wohnzimmer. Neben Dad sitzt eine fremde Frau auf dem Sofa. »Wer sind Sie denn?«, frage ich.
    Dad legt seine Zeitung weg. »Jenny. Sei nicht so unhöflich.«
    Die Frau legt ihm die Hand auf den Arm. »Ist schon recht, Liebling. Das stört mich nicht.«
    »Aber mich«, sagt er. »Jenny, entschuldige dich auf der Stelle bei Karen.«
    Ich starre beide an: Dad mit drohend umwölktem Gesicht. Die fremde Frau – Karen, wie es scheint – lächelt mich mit großen braunen Augen an. »Sie muss sich nicht entschuldigen«, sagt sie. »Wir verstehen uns doch, nicht, Jen?«
    »Ich weiß nicht, wer Sie sind«, sage ich, ehe ich mich bremsen kann.
    Karen-wie-es-scheint atmet scharf ein und kneift die Augen zusammen. Dann lächelt sie wieder. »Ich mach mal Tee«, sagt sie und beugt sich vor, um aufzustehen.
    Dad hält sie zurück. »Nein, das machst du nicht«, sagt er bestimmt. »Nicht, bevor Jenny sich entschuldigt hat.« Er wendet sich wieder an mich. »Das haben wir doch schon besprochen. Wir haben alle genug Zeit gehabt, um uns daran zu gewöhnen, und wenn Craig Karen akzeptiert, dann finde ich, dass du das gefälligst auch kannst.«
    Mein Kopf versucht die drei Jahre fehlender Fakten schnell zu

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