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Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Ein Jahr ohne Juli (German Edition)

Titel: Ein Jahr ohne Juli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Kessler
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bisschen eher mit dem Ausritt auf, und wir wollen nicht zu lange warten müssen.«
    »Ja, ja, das herrliche Leben eines Chauffeurs!«, sagt Dad theatralisch.
    Ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange. »Danke, Dad.« Wenn ich Glück habe, ist es vielleicht nicht mal nötig, dass er überhaupt kommt, aber für alle Fälle.
    Ich renne nach oben, um meine Reitsachen zu holen. Als ich wieder herunterkomme, legt Dad gerade den Hörer auf. »Squash abgesagt«, sagt er. »Bis später.«
    »Danke, Dad. Bis dann.« Ich umarme beide und bete, dass wir uns nicht mitten in irgendeiner Katastrophe wiedersehen, und hoffe, dass sie nicht bemerkt haben, wie ich zittere.
    Dann fällt mir noch etwas ein. »Ach, und Dad?«, sage ich und zwinge mich, so beiläufig wie möglich zu klingen. »Fahr doch auf dem Weg bei der Mile End Farm vorbei, ja?«
    »Mile End Farm – was ist das?«
    Da hat der Reitunfall stattgefunden – was ich ihm natürlich nicht sagen kann.
    »Such auf der Karte danach«, sage ich. »Oder frag jemanden. Ich hab nur davon gehört und dachte, das könnten wir mal besichtigen. Du könntest es dir doch schon mal ansehen und gleich ein paar Broschüren mitbringen. Bitte.«
    Ich habe ein bisschen ein schlechtes Gewissen, dass ich Dad anlüge. Aber es ist das Beste, was mir einfällt. Und wenn sich dann herausstellt, dass die Mile End Farm ein Privatanwesen ist und doch nicht geeignet für einen Familienausflug, dann sage ich einfach, da hätte ich mich wohl verhört. Wichtig ist nur, sicher zu sein, dass er da ist, wenn wir ihn brauchen.
    Dad zuckt die Schultern und sieht Mum verwundert an. »Wie du meinst«, erwidert er.
    Ich lächle ihm zu. »Danke, Dad«, sage ich.
    Dann drehe ich mich um und renne los.

    Bitte, lass mich noch rechtzeitig kommen. Bitte!
    Ich habe noch fünf Minuten. Punkt zwei Uhr, hat sie gesagt. Bitte, lass meine Uhr nicht nachgehen.
    Außer Atem komme ich bei Julis Trakt an. Das Auto steht da. Der Porsche. Sie sind noch nicht weg! Noch nie im Leben war ich so glücklich, einen schicken roten Sportwagen zu sehen!
    Einen winzigen Moment zögere ich an dem Fahrstuhl. Ich wage es nicht, nicht mal mit dem modernen.
    Ich renne den Gang entlang und die Treppe hinauf, mit brennendem Hals. Vor der Tür bleibe ich stehen und kurz durchzuckt mich Angst. Was, wenn sie nicht da sind? Wenn es wieder Mrs Smith ist? Was, wenn es doch nicht der Fahrstuhl war, sondern etwas anderes, und wenn Juli immer noch …
    »Jenny!« Juli steht unter der Tür und grinst breit. »Gerade noch rechtzeitig. Komm, Mum fährt uns.« Sie zieht mich durch die Tür.
    »Wo ist Mikey?«, frage ich. Ich muss ihn mit eigenen Augen sehen.
    Und da kommt er auch schon aus seinem Zimmer, mit einem Computerspiel in der Hand, die Lippen vor Konzentration vorgeschoben. Ich laufe auf ihn zu, knie mich hin und umarme ihn fest.
    »Igitt, lass das!«, sagt er.
    Ich lache. »Es geht ihm gut!«, sage ich. Ich kann einfach nicht anders.
    Juli legt den Kopf schief und verdreht die Augen, als sei ich nicht ganz recht im Kopf. »Äh, ich glaube schon«, sagt sie. Dann kommt sie auch und legt Mikey die Hand auf die Stirn, kitzelt ihn unter dem Kinn, bis er quietscht und sie wegschubst. »Ja. So munter wie nur möglich.«
    Mrs Leonard kommt in die Diele. »So, sind alle bereit?«, fragt sie.
    »Ich mach nur noch das Spiel fertig«, sagt Mikey.
    »Das kannst du später zu Ende spielen«, erwidert Mrs Leonard. »Komm jetzt, sonst sind wir nicht rechtzeitig da.«
    Ich starre Mikey, dann Juli und dann ihre Mutter an. »Mikey kommt doch nicht mit«, sage ich. »Nur Juli und ich.«
    »Dad hat gerade einen Anruf von Mr Andrews gekriegt«, sagt Juli. »Der hat anscheinend den Squashplatz gebucht, und jemand hat ihm in letzter Minute abgesagt, deshalb geht Dad spielen. Mikey muss mit uns mitkommen. Mum will versuchen, ob er mit uns ausreiten kann. Er kann schon ein bisschen reiten, deshalb sollte es kein Problem geben.«
    Ich starre Juli an. Mein Inneres ist zu Eis erstarrt. »Du machst Witze.« Ich glaube es ja nicht. Ich habe es geschafft, hierher zurückzukommen, habe Mum davon abhalten können, auszugehen und Dad dazu überredet, uns abzuholen – und dabei habe ich erreicht, dass Mikey mit uns zum Reiten kommt!
    Vielleicht hat ja das Schicksal entschieden, was mit Mikey geschehen soll, und es gibt absolut gar nichts, wie ich das verhindern kann. Vielleicht ist das ja ein Naturgesetz: Ich könnte hundert Mal hin- und herreisen und würde doch nichts

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