Ein Jahr ohne Juli (German Edition)
scheppernd losfährt und mich ins Untergeschoss bringt.
13
Pechschwarz.
Ich kann nichts sehen. Vorsichtig trete ich aus dem Fahrstuhl und stoße an einen Kasten auf dem Boden. Während ich mir die Zehen reibe, gewöhnen sich meine Augen allmählich an die Dunkelheit. Ich kann undeutlich ein paar Umrisse erkennen: Kisten und Holzbretter und überquellende Säcke, wohin ich auch blicke. Eine riesige Rumpelkammer. Ich stolpere zu der Wand gegenüber und taste nach einem Lichtschalter. Hoffentlich gibt es hier keine Ratten.
Gefunden. Ziemlich weit oben an der Wand ist ein Lichtschalter. Ich drücke drauf, eine Neonröhre geht an und taucht den Raum in grelles Licht. In einer Ecke ist eine Stahltür. Der einzige Ausgang, wie es aussieht. Ich gehe darauf zu und passe auf, dass ich über nichts stolpere.
Bitte, bitte, lass sie nicht abgeschlossen sein.
Ist sie natürlich doch.
Das darf doch nicht wahr sein! Eine einzige Tür, und die ist abgeschlossen. Ich ziehe und zerre an der Klinke. Die Tür bewegt sich keinen Zentimeter.
Ich stöbere in dem Raum umher, hebe Kisten hoch, schiebe Truhen aus dem Weg und schaue nach etwas, irgendetwas, das mir hilft, hier rauszukommen. Ich suche die Decke ab. Um den oberen Rand läuft eine Zierleiste. Vielleicht verdeckt sie eine Art Luftschacht? In einer Ecke ist ein winziges Gitter, zu hoch für mich, um dranzukommen, selbst wenn ich mich auf eine Kiste stelle – und außerdem nur so groß wie meine Hand.
Ich lasse mich auf eine Kiste sinken. Es muss doch einen Weg geben; muss es einfach! Ich suche noch mal den ganzen Raum ab. Nichts. Nicht mal ein Fenster.
»Craig!« Meine Stimme schallt durch den Raum und verhallt wieder.
Was soll das, nach Craig zu rufen? Selbst wenn ich nicht in die Vergangenheit gefahren wäre, wäre er ein ganzes Stockwerk über mir. Und wenn ich mit meinen Vermutungen recht habe, wird er dort erst in einem Jahr stehen.
Das gibt es doch nicht. Kein Weg hinaus. Doch, einen gibt es – zurück in die Gegenwart. Der Fahrstuhl steht mit geöffneter Tür da und wartet auf mich.
Die ganzen Umstände, und dann doch kein Erfolg?
Halt! Nein. Das lasse ich nicht zu. Die alte Jenny hätte vielleicht aufgegeben, aber die neue nicht.
Mir fällt schon etwas ein. Vielleicht kann ich nach oben zurück und Mr Barracloughs Axt holen und dann durch die Untergeschosstür nach draußen gelangen. Oder ich hole mir genug zu essen und zu trinken, um ein paar Tage durchzuhalten – lange genug, bis jemand ins Untergeschoss kommt und mich rausholt. Oder vielleicht kommt mir ja noch ein besserer Einfall. Ich mache etwas – irgendwas! Solange ich nur darauf komme, wie ich durch das Untergeschoss aus dem Gebäude gelange, dann habe ich noch ein ganzes Jahr, bis der Unfall eintritt. Ich kann ihn verhindern – ich kann es!
Mein Herz hämmert so heftig, dass ich das Gefühl habe, es springt mir aus dem Mund. Ich kehre in den Fahrstuhl zurück und drücke auf EG .
Ich schaffe es. Ich werde die Situation ändern.
Der Fahrstuhl bewegt sich nach oben, und ich halte den Atem an. Er wird immer langsamer, und das Rattern und Knarren wird immer lauter, bis das scharrende Geräusch zu einem langgezogenen Quietschen wird. Weiter, weiter. Bring mich zurück ins Erdgeschoss!
Noch mehr Knarren, Scheppern und Rasseln.
Und dann hält er an.
Ich ziehe das Gitter auf. Vor mir ist eine graue Ziegelwand!
Der Fahrstuhl ist kurz vor dem Erdgeschoss stecken geblieben! Im oberen Drittel der Türöffnung kann ich die Metalltür, die ins Erdgeschoss führt, sehen. Wenn ich es schaffe, die Tür aufzustoßen, könnte ich wahrscheinlich hochklettern und durch die schmale Öffnung, die dann entsteht, ins Erdgeschoss robben.
»Craig!«, rufe ich wieder. Wo steckt er? Warum hat er nicht auf mich gewartet? »Craig!« , rufe ich noch lauter. Nichts.
Ich ziehe das Gitter zurück, recke mich nach oben und gebe der Metalltür einen festen Schubs, sie schwingt auf. Das wäre also schon mal geschafft. Ich versuche, nach draußen zu lugen – von Craig keine Spur. Seufzend klammere ich mich an die Kante des Fußbodens, ziehe mich an der Wand hoch, komme mit dem Bauch darüber und klettere hinaus. Meine Jeans sind total verdreckt, mein Haar auch, aber das ist mir egal. Wenigstens bin ich draußen. Wieder im Erdgeschoss.
Schnell stehe ich auf, gerade, als ein junges Paar an mir vorübergeht. Sie lächeln und halten sich an den Händen. Irgendwie kommen sie mir bekannt vor. Habe ich sie schon mal
Weitere Kostenlose Bücher