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Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Titel: Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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verdammten Anzüge, der ganze Scheiß.«
    »Verdammt teuer.«
    McKeegan servierte Graham sein Salami-Sandwich, Pommes frites und ein frisches Bier. »Will der Junge irgendwas?« fragte er Graham.
    »Der Junge arbeitet nicht mehr für mich.«
    »Der Junge hat eigenes Geld«, sagte Neal. »Bringen Sie mir ‘ne Coke.« Er hätte lieber ein Bier bestellt, aber wenn er es nicht bekommen hätte, wäre das zu peinlich gewesen.
    »Eine Cola für den Goldjungen«, sagte McKeegan.
    »Also, die Bücher und so«, fuhr Neal fort. »Woher hätte ich das Geld dafür? Du läßt mich ja nicht stehlen.«
    »Der Chef zahlt deine Rechnungen. Und dann hast du ja noch deinen üblichen Lohn für die Jobs. Und etwas, das er ›ein angemessenes Taschengeld‹ nannte. Wenn du stiehlst, brech ich dir beide Arme.«
    »Hier ist deine Cola«, sagte McKeegan. »Soll ich das Wechselgeld behalten?«
    »Geben Sie’s her.«
    »Du hast zu lange mit Graham ‘rumgehangen.«
    »Ach was.«
    Graham biß von seinem Sandwich ab. Er hätte doch lieber Corned Beef nehmen sollen. »Der Chef erzählte irgendwas davon, dich für ›bessere Aufgaben auszubilden‹, was immer das heißen soll.«
    Neal nippte an seiner Cola. »Ich sag’ dir was. Ich bin wieder dabei. Gleicher Lohn. Keine Schule.«
    »McKeegan, ist der Junge nicht viel zu jung, um in einer Bar herumzusitzen?«
    »Du findest nie wieder einen, der so gut ist wie ich.«
    »Vielleicht nicht, mein Sohn.«
    »Und?«
    »Und die Sache ist so«, sagte Graham und schaute Neal fest in die Augen. »Du gehst auf diese Schule oder deiner Wege.«
    Neal kippte den Rest seiner Cola herunter, wie richtige Männer richtigen Stoff. »Wir seh’n uns«, sagte er und marschierte zur Tür.
    »Weißt du, was ich glaube«, sagte Graham und untersuchte sein Sandwich. »Ich glaube, du würdest gern auf diese Schule gehen, hast aber Angst, weil du glaubst, die anderen Kinder wären besser als du.« 
     
    Das Problem war, daß die anderen Kinder das auch glaubten. Neal kam sich sowieso schon blöde genug vor, in dem blauen Blazer, der Khaki-Hose, den Lederschuhen, dem weißen Button-down-Hemd, dem nagelneuen Schul-Schlips und den gottverdammten weißen Socken.
    In Mr. Danforths Englischstunde mußten sie einen Aufsatz über »Das Leben zu Hause« schreiben. Neal erzählte eine Episode aus einer Fernsehserie, die Klasse lachte sich halb tot, und Danforth war sauer auf ihn.
    Was hätte ich denn schreiben sollen? fragte Neal sich. Daß meine Nuttenmutter abgehauen ist, und daß der, der einem Vater für mich am nächsten kommt, ein einarmiger Zwerg ist, dessen Vorstellung von einem Familienausflug darin besteht, irgendwo einzubrechen und Karteien zu durchsuchen? Fragen Sie mich nicht nach der Wahrheit, Mr. Danforth, denn die würden Sie kaum besser verkraften als ich. Geben Sie sich doch einfach mit diesem Fernsehquatsch zufrieden.
    Und dann waren da noch die üblichen Witze. Deine Mutter ist wie eine Türklinke. Jeder darf mal anfassen. Deine Mutter ist wie’n Hauptbahnhof. Immer geöffnet. Als diese Witze die Runde machten, war Neal vermutlich der einzige Junge auf der Schule, der wußte, daß sie der Wahrheit entsprachen.
    Als es um Ferien, Weihnachtsgeschenke, Brüder, Schwestern und verrückte Tanten ging, hatte Neal nichts, aber auch wirklich gar nichts zu sagen, und er war zu stolz und zu klug, um sich wieder etwas auszudenken. Er konnte die anderen Kinder auch nicht zu sich einladen, weil seine Wohnung ein Ein-Zimmer-Slum war, ohne Mutter, ohne Vater, ohne Kekse auf dem Tisch.
    Neal war ein einsames, trauriges Kind. Und dann gab dieser verdammte Danforth ihm auch noch Dickens zu lesen.
    Oliver Twist. Neal verschlang das Buch in zwei Nächten. Dann las er es noch mal, und als sie darüber schreiben sollten… Ja, mein lieber Mr. Danforth, dazu habe ich etwas zu sagen. Die anderen Schüler glauben vielleicht, daß sie wüßten, wie Oliver sich fühlt, aber ich weiß es.
    »Das ist ganz hervorragend«, sagte Danforth, als er die Aufsätze zurückgab. »Warum beteiligst du dich nicht intensiver am Unterricht?«
    Neal zuckte mit den Achseln.
    »Dickens hat dir gefallen«, sagte Danforth.
    Neal nickte.
    Danforth lieh Neal seine Ausgabe der Großen Erwartungen.
    »Vielen Dank«, sagte Neal.
    Neal kaufte sich auf dem Nachhauseweg ein Glas Nescafe und eine Packung Schoko-Eis, und dann verbrachte er ein Wochenende mit Pip, dem verwaisten Protagonisten der Großen Erwartungen.
    Das Buch las sich gut. Das Buch las sich

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