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Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Titel: Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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hervorragend. Wenn er las, fühlte er sich nie einsam – ihm war nie kalt, er hatte keine Angst, er war nie allein.
    Er gab das Buch zusammen mit einem kurzen Aufsatz zurück und bekam David Copperfield. 
     
    »Hat es dir gefallen?« fragte Danforth.
    »Ja, es hat mir… sehr gut gefallen.«
    »Warum?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe mich so…« Er fand keine Worte.
    »Ich weiß, was du meinst.« Danforth lächelte ihn an. »Du bist in Ordnung, Carey, weißt du das?« Der Elternabend war die Hölle. Neal hatte panische Angst davor, bloßgestellt zu werden. Er konnte bereits hören, wie sie hinter ihm herflüsterten bis in alle Ewigkeit: Bastard.
    An jenem Abend saß er ganz weit hinten in der Klasse, während die Eltern eintrudelten, dumm lächelten, einander die Hände schüttelten und so taten, als interessierten sie sich für die häßlichen Kritzeleien ihrer Töchter und die blödsinnigen Gedichte ihrer Söhne.
    Alle paar Sekunden guckte er ungeduldig auf die Uhr und stöhnte, nur für den Fall daß jemand zuhörte: »Wo bleiben sie nur?« Er hatte sich so tief in seinem Stuhl verkrochen, daß er sie gar nicht hereinkommen sah. Aber er hörte sie. Ihre volle Stimme hatte Klasse.
    »Hallo, ich bin Mrs. Carey, Neals Mutter. Wie schön, Sie kennenzulernen.«
    Sie war wunderschön. Ihr braunes Haar war perfekt frisiert. Ihr graues Kleid war ideal für so einen Anlaß. Braune Augen blitzten den Lehrer an, und als sie ihm ihre Hand entgegenstreckte, hätte er sie beinahe geküßt, anstatt sie zu schütteln.
    Sie stolzierte durch den Klassenraum und lächelte ein warmes, mütterliches Lächeln, als sie Neal auf beide Wangen küßte und ein wenig von seinem Sitz hob. »Du mußt mir alles zeigen«, sagte sie.
    Sie spazierten zusammen durch die Schule, und taten so, als interessierte sie hier und dort etwas. Sie freute sich hörbar über seinen hochgelobten Essay über Dickens’ London. Sie umgarnte Lehrer und Eltern, nippte Punsch und knabberte Kekse. Sie entschuldigte sich, schon so früh gehen zu müssen und entschwebte. Sie schwebte tatsächlich zur Tür hinaus.
    Später besuchte Neal Graham bei McKeegan. »Wo hast du sie her?« fragte er. »Sie war toll.«
    Graham nickte.
    Für zweihundert Eier, dachte er, kann man das ja wohl auch erwarten. 
     
    »Du bist faginesk, wußtest du das?« fragte Neal Graham. Sie standen auf der dunklen Treppe in Neals Haus.
    »Was soll denn das heißen? Ich mag Frauen. Du mußt nicht auf Zehenspitzen gehen. Du machst keine Geräusche, wenn du auftrittst. Du machst Geräusche, wenn du den Fuß wieder hochnimmst.«
    »Das meine ich. Fagin ist jemand aus Oliver Twist, der Jungs beigebracht hat, zu stehlen.«
    »Ich bringe dir aber nicht bei, zu stehlen.« Graham wollte jetzt nicht solchen Quatsch hören. Er versuchte, dem Jungen etwas Wichtiges beizubringen. »Du trittst ganz normal auf – nicht besonders kräftig, aber fest. Und du hebst den Fuß ganz leicht wieder ab, als ob du gar nichts wiegst.«
    »Ja, okay, ich stehle nicht. Aber so was hier.«
    Neal setzte seinen Fuß auf die Stufe. Es quietschte laut.
    »Willst du alle aufwecken?« fragte Graham. »Du mußt immer an der Innenseite der Treppe gehen. Da ist sie am stabilsten, also quietscht sie am seltensten. Du kannst deinen Weg dann auch erfühlen. Du kannst fühlen, wo die nächste Stufe ist. ›Faginesk.‹ Meinetwegen. Und jetzt weiter.«
    Eine Treppe herunterzugehen war schwer, vor allem, weil man das Ende der Stufe nicht mit den Zehen ertasten konnte und immer Angst haben mußte, sich das Genick zu brechen.
    »Das kann passieren«, sagte Graham zu Neal, der die Übung gerade zum vierzigsten Male vermasselte. »Du schmeißt dich am besten auf den Bauch und schwimmst runter.«
    »Ich schwimme?«
    »Versuch’s. Keine Angst. Leg dich hin, Kopf nach unten, und mach Hundepaddeln.«
    Neal kam sich ganz schön blöd vor, als er sich so auf den Stufen niederließ.
    »Du hast doch Lassie geguckt, oder nicht?« fragte Graham. »Tu, was Lassie tut, wenn sie diesen kleinen Stinker vor dem Ertrinken rettet.«
    »Timmy.«
    »Ja. Meinetwegen. Los jetzt.«
    Graham stellte seinen Fuß auf Neals Hintern und schob ihn an. Wenn man sich dran gewöhnt hat, ist es bestimmt nicht mehr so schlimm, dachte Neal, während er zum Fußende der Treppe schwamm. Wie Lassie.
    Er fragte Graham: »Wie macht man das mit einem Arm?«
    »Macht man nicht. Man engagiert sich irgendeinen dummen Jungen, der’s für einen macht.«
    Er stieg über Neal hinweg und

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