Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1
gefunden. Ich seh sie mir besser mal an.
Nette Leute, dachte er. Nachdem er anderthalb Stunden auf dem Flur warten mußte, hatte er das auch verdient. Mitte Vierzig, gut angezogen, die Frau war eine große Brünette. Er war gut in Form. Schwarzes Haar mit einer Spur silber. Unglaublich weiße Zähne. Plastik aller Art: AmEx, Diners Club. Gab gute Trinkgelder.
Er folgte ihnen nicht, als sie das Restaurant verließen. Statt dessen aß er zu Ende und las die International Herald Tribüne. Die Yankees waren immer noch vorne.
Das Telefon riß ihn aus seinem wohlverdienten Schlaf. Es war erst fünf Uhr, und er hatte bis sieben oder so pennen wollen.
»Du hast seit drei Tagen nicht angerufen«, sagte Ed.
»Nichts Neues.«
»Dann ruf an und sag: ›Nichts Neues‹«, sagte Levine. »Überhaupt nichts?«
»Ich tu, was ich kann.«
»Besser so. Du hast noch vier Wochen.«
»Verdammt Ed, wir wissen beide, daß dieser Job Schwachsinn ist.«
»Dann bist du ja genau der Richtige dafür. Ruf an.«
Ed Levine legte auf.
»Nichts?« fragte Rich Lombardi.
»Noch nicht.«
Lombardi legte die Akte zurück auf Levines Tisch. »War vielleicht auch zuviel erwartet.«
»Wir erwarten immer viel.«
Lombardi verließ das Büro der Freunde und suchte sich eine Telefonzelle. Er mußte eine Menge Anrufe machen. Der Parteitag war gleich um die Ecke, der Senator stand auf der Liste, und er mußte sich um so viel kümmern. Nennt die Story Der Mann hinter dem Mann.
21
Allie war total stoned.
Als Neal gegen acht in der Wohnung in Earl’s Court auftauchte, kauerte sie auf dem Boden und fluchte leise über TV-Gameshows, vor allem über die britischen, wo die Leute nicht mal sonderlich viel Geld gewinnen konnten.
»Auch keine Kühlschränke. Keine Geschirr-Sets, keine Wohnzimmer-Einrichtungen, keine Wäsche-Trockner. Keine Toyotas. Keine Trips nach Honolulu.«
»Komm rein«, begrüßte Vanessa Neal. »Colin ist allerdings nicht hier.«
Das wußte Neal bereits. Er hatte ihn schon auf dem Leicester Square entdeckt. »Wo steckt er?«
»Arbeitet.«
Als Allie Neal entdeckte, schaltete sie um und verfluchte die amerikanischen Männer, vor allem die aus New York, die glaubten, sie wüßten alles übers Ficken, aber in Wahrheit keine Ahnung hätten.
»Das sind Schweine. Schweine! Die wollen nichts, als dir in den Slip fassen, und dann wissen Sie nich, was sie da drin machen sollen. Ich hasse es!«
Vanessa verschwand im Bad.
»Und Eis«, nörgelte Allie. »Man kriegt hier auch kein ordentliches Eis. Sie geben uns irgendeinen Dreck und sagen, das wäre Eis. Ist es aber nicht. Neal, hast du Eis mitgebracht?«
»Nein. Tut mir leid.«
Sie ging zu ihm herüber und sah ihm in die Augen. »Du bist schlecht, Neal. Weißt du das? Du bist so verdammt mies.«
Sie sagte das mit so großem Ernst und lächelte ihn danach so strahlend an, daß er kaum glauben konnte, daß sie völlig von der Rolle war.
»Und das Wetter«, fuhr sie fort. »Es ist so verfickt heiß. Das ham wir mal in der Vorschule gesungen, ›Es ist verfickt hei-eiß, es ist verfickt hei-eiß ...‹«
»Verdammt heiß.«
»Yeah, es ist zu verdammt verfickt heiß. Es soll neblig sein und regnen. In den Filmen ist es immer neblig und regnet.
Hast du jemals einen braungebrannten Sherlock Holmes gesehen? Aber es hat noch nicht genebelt oder geregnet, seit ich hier bin, und das ist schon Wochen und Wochen und Wochen, und was macht ‘nessa eigentlich im Bad?«
»Ich rasier mir die Haare weg«, antwortete Vanessa.
Neal warf einen Blick ins Badezimmer. Tatsächlich – sie rasierte sich den Schädel. Die linke Hälfte.
Allie war fasziniert. »Warum?«
»Ich langweil mich.«
»Kann ich zugucken?«
»Klar, Liebes, aber du darfst nicht helfen. Du würdest mich in Stücke schneiden.«
Allie legte sich auf den Kachelboden und spielte mit Vanessas zu Boden fallenden Haarlocken. Neal blieb in der Tür stehen.
»Alice«, fragte er, »hast du heute ein Date?«
Sie starrte ihn an. »Ob ich ein Date habe? Glaubst du, du bist Colins Sekretär, oder was? Vize-Lude? Das klingt gut, Vize-Lude. Nein, ich hab kein Date heute nacht.«
»Ist in Ordnung.«
»Oh, toll. Neal, sei ein lieber Junge und hol uns Eiscreme, ja? Echte, gute Eiscreme. Schoko-Eiscreme. Hmmmm.« Sie leckte sich über die Lippen.
»Ich muß mit Colin reden.«
»Du mußt mit Colin reden?«
»Wie sieht das aus?« fragte Vanessa. Die linke Hälfte ihres Kopfes war kahl. Die rechte Hälfte war voller
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