Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Titel: Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
Vom Netzwerk:
sie los. Sie plumpste auf die Erde.
    »Hey!« sagte sie überrascht. Sie saß auf dem Boden und sah ihn an, sah sich um. Sie brauchte eine Minute, um zu begreifen, daß sie nicht mehr in London waren.
    »Wo zum Teufel sind wir?«
    »Auf einem Ausflug«, sagte er. Er beobachtete, wie sie ihr Gedächtnis durchforstete. Er paßte gut auf. An wieviel erinnerte Allie sich?
    »Wo ist Colin?«
    »Ich weiß nicht.«
    Sie stemmte sich hoch. »Ich will zurück nach London.«
    »Nein.«
    »Jetzt.«
    »Vergiß es.«
    Sie ging an ihm vorbei zur Fahrertür.
    Er packte ihren Ellenbogen, klemmte seinen Fuß hinter ihren und warf sie zu Boden. Sie brauchte nur eine halbe Sekunde, um sich von dem Schreck zu erholen. Sie stand wieder auf und versuchte, ihn zu schlagen. Aber sie war so langsam, daß er mit Leichtigkeit ihren Arm packen und hinter ihren Rücken drehen konnte. Mit der anderen Hand riß er an ihren Haaren und zwang sie auf die Knie. Er drückte sie nach unten, bis ihr Gesicht beinahe den Boden berührte.
    Daß es ihm nicht leid, sondern gut tat, entsetzte ihn. Er fragte sich, auf wen er so wütend war, und wo seine Mutter war, ob sie noch am Leben war, er fragte sich, ob Allie eigentlich die einzig Bekloppte auf diesem gottverdammten einsamen Hügel im Moor war und warum er diesen verfluchten Job überhaupt angenommen hatte.
    Er zog sie hoch und drehte sie zu sich, so daß er ihr ins Gesicht sehen konnte. Es half nicht. Er wollte sie schlagen. Ins Gesicht. Er versuchte, sich einzureden, daß er sie damit beruhigen wollte, ins Haus zwingen wollte, daß es zum Job gehörte, aber er wußte, daß das nicht die Wahrheit war. Er wollte sie schlagen, weil sie eine Frau war, und ein Junkie und eine Hure, genau wie die, die seinen Dad nicht geheiratet hatte. Diese Erkenntnis erschöpfte ihn mehr als alles andere. Er ließ sie los.
    Sie hatte es gesehen. Sie hatte es in seinen Augen gesehen: die Wut, die Grausamkeit. Sie hatte sich vor dem Schlag, der kommen mußte, gefürchtet. Für sie war er nur ein weiterer Mann, der Frauen schlug.
    Der Schlag kam nicht. Sie standen auf dem windigen Hügel und starrten einander an. Neal konnte seinen Herzschlag hören; er rang nach Luft. Schließlich sagte er: »Ich hab Colin reingelegt. Er glaubt, du hättest mir geholfen. Ich habe so getan, als ob…«
    »Du Arsch… Wer hat dir gesagt…«
    »Weil ich nicht will, daß du bei ihm bist. Ich will nicht, daß du weiter spritzt.« Er stieß die Worte aus und sog gierig Luft ein. Er blieb so nah an der Wahrheit, wie er konnte. Er ging an ihr vorbei ins Haus.
    Allie atmete tief durch und marschierte zum Wagen.
    Neal versuchte gerade, ein Feuer zu machen, als sie hereinkam.
    »Wo ist mein Dope?« fragte sie.
    »Irgendwo auf der M-11.«
    »Du dummer Schwanzlutscher!«
    »›Wer im Glashaus sitzt…‹« Er hielt ein Streichholz an die zusammengeknüllte Zeitung. Er blies vorsichtig in die Glut, so wie er es im Fernsehen gesehen hatte. Immerhin ging sein Feuer nicht gleich wieder aus. »Findest du es auch so kalt hier?«
    »Es ist schweinekalt!«
    »Das ist, weil du auf Entzug bist. Es wird noch schlimmer werden. Oben im Schrank sind ein paar Wollpullover. Du solltest dir welche holen.«
    »Du solltest mir Dope geben, sonst fahr ich zurück nach London.«
    »Gute Idee. Ruf Colin an, wenn du da bist. Er wird sich freuen, dich zu sehen.«
    Er ließ sie ihre eigenen Schlüsse ziehen.
    »Besten Dank, daß du mein Leben kaputt gemacht hast.«
    »Gern geschehen.«
    »Du schuldest mir zumindest mein Dope!«
    Neal legte ein kleines Stück Holz aufs Feuer und hätte die Flammen beinahe erstickt. Er stocherte mit einem Schürhaken nach. Das half. Er konzentrierte sich. Das beruhigte ihn.
    »Was ich dir schulde«, sagte er, »sind zehntausend Pfund. Ich finde das mehr als fair, wenn man bedenkt, daß du nichts dafür tun mußtest. Aber das ist nicht deine Schuld. Was ich dir schulde, ist die Chance, vom Stoff loszukommen, ein für allemal. Das gehört zu unserm Deal. Kein Stoff, keine Dates.«
    »Was für’n Deal? Wir haben keinen Deal gemacht!«
    »Doch, haben wir. Beim Entenfüttern. Es gibt alle möglichen Deals, Alice. Auf Papier, in Worten, im Einverständnis. Wir haben einander verstanden, und das weißt du.«
    »Du bist verrückt!«
    »Okay. Wie verrückt bin ich? Ich hab die Bücher, und ich hab dich. Ich bleib ‘ne Weile hier, und dann geh ich zurück in die Staaten. Ich ruf den Käufer an, er nimmt die nächste Maschine, und ich krieg zwanzigtausend

Weitere Kostenlose Bücher