Ein kalter Strom
Jackson zu haben. »Wo ist sie?«, hatte er gefragt.
»Sie ist gerade in das schicke Fitnesscenter für Frauen in der Giesebrechtstraße gegangen«, sagte Rado. »Sie hatte eine Sporttasche dabei.«
Wenn Caroline sich dort eine Mitgliedskarte leisten konnte, meinte Krasic, dann fehlte ihr offensichtlich nicht das nötige Kleingeld, und Angst, es auszugeben, hatte sie auch nicht. Sie würde sich mindestens eine Stunde dort aufhalten, schätzte er. »Ruf mich an, wenn sie rauskommt«, sagte er zu Rado.
Bei einem Blumengeschäft hielt er an und kaufte einen Blumenstrauß. Ins Haus zu gelangen war kinderleicht gewesen. Er hatte einfach geklingelt, bis jemand eine Antwort gab, und sagte dann, er hätte eine Lieferung für die entsprechende Apartmentnummer. Im Aufzug hatte er etwas Unleserliches auf die Karte gekritzelt und sie einem leicht verwirrten holländischen Geschäftsmann übergeben. Er kannte Caroline Jacksons Wohnungsnummer, weil sie am Tag zuvor von dort im Wagen zum Abendessen abgeholt worden war. Das Schloss fand er geradezu lächerlich. Er brauchte weniger als fünf Minuten, um es aufzukriegen, dann war er drin.
Krasic machte einen kurzen Erkundungsgang, bevor er seine Durchsuchung begann. Schlafzimmer, Bad, Küche, Wohnzimmer. Keine richtig guten Verstecke. Nicht einmal ein Safe für Wertsachen.
Er fing mit dem Wohnzimmer an. Am Fenster stand ein Laptop auf einem kleinen Schreibschrank. Er schaltete ihn an, und während er sich umschaute, ließ er ihn hochfahren. Eine Hand voll Taschenbücher stand auf einem Regal neben einem blauen Plastikradio. Er blätterte in den Büchern. Nichts. Ein Stoß englischer Zeitungen auf dem Couchtisch offenbarte nichts weiter, als dass Jackson gern Kreuzworträtsel löste und es gut konnte. Auf dem Notizblock beim Telefon stand nur etwas zu der Verabredung mit Tadzio zur Bootsfahrt. In einer Aktentasche fand er überraschend wenig. Details zu zwei Immobilien in Ipswich und ein paar an den Rand gekritzelte Notizen über ihre Brauchbarkeit. Außerdem der Probedruck eines Katalogs mit handgefertigtem Holzspielzeug von einer Druckerei, deren Postfach in Norwich als Bestelladresse angegeben war. Ein Bogen Papier mit etwas, das wie eine Reihe von Berechnungen zu ihren Finanzen aussah. Und ein Auszug von einem Girokonto bei einer Bank in Bury St. Edmunds. Krasic notierte sich die Daten des Kontos und legte alles wieder an seinen Platz zurück.
Jetzt wandte er seine Aufmerksamkeit dem Laptop zu. Sie hatte ihn nicht einmal mit einem Passwort geschützt, bemerkte er verächtlich. Er machte ihr E-Mail-Programm auf, und sein Mut sank, als er zweihundert E-Mails im Briefkasten sah. Er öffnete ein paar und fand nichts von Bedeutung. Sie schienen hauptsächlich von Freunden oder Geschäftsleuten zu sein und hatten meistens mit Verabredungen oder dem Austausch von Klatsch zu tun. Eigentlich hätte er ein paar Stunden ausschließlich darauf verwenden sollen, alles im Einzelnen durchzusehen, aber das ging nicht.
Danach öffnete Krasic ihr Textverarbeitungsprogramm. Es gab einen Ordner mit Briefen, von denen viele mit einer früheren US -Airbase in East Anglia zu tun hatten, außerdem mit den Anträgen für anderweitige Nutzung, nämlich als Anlage für Leichtindustrie und als Wohnunterkünfte für die Belegschaft. In anderen Briefen ging es um den Verkauf und Erwerb von Grundstücken, was ihm alles nichts sagte. Er öffnete einen weiteren Ordner, der sich »Projekt EA « nannte. Sein Herz machte einen Sprung, als er in der Liste von Dateien eine unter dem Namen »Radecki« fand. Schnell öffnete er sie.
Tadeusz Radecki, 38. Polnischer Abstammung, wohnhaft in Berlin. Versorgte Colin Osborne mit ausländischen Arbeitern. Laut J. hat Radecki umfangreiche gemeinsame Geschäftsinteressen mit Charlie und Horse. Schlüsselfigur in Deutschland mit beträchtlichem Exportvolumen. Handelt auch mit lebendem Material. Hat offenbar mit Hardware auf dem Balkan angefangen. Besitzt eine Kette von Videoläden. Soll angeblich gewissenhaft liefern, lässt sich aber nichts gefallen. Zweiter Mann ist laut CO der rücksichtslose, verrückte Serbe Darko Krasic, Schläger, der TR ermöglicht, sich die Hände nicht schmutzig zu machen. TR wohnt in einer teuren Wohnung in Charlottenburg. Lässt sich in einem großen schwarzen Mercedes herumfahren. Reist gern, hauptsächlich in europäische Städte. Interessen: Oper, Jagd, Essen in Restaurants, Geld verdienen, Fotografie. Hat eine Loge in der Staatsoper, wo er
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