Ein kalter Strom
Gefühl der Zufriedenheit, das ihn erfüllte. Vielleicht, ja, vielleicht würden sie es schaffen.
Krasic kam kurz nach acht in Tadeusz’ Apartment, in der Hand eine Tüte mit frischem Gebäck von der türkischen Bäckerei an der Ecke der Karl-Marx-Allee nahe seiner Wohnung. Während sein Chef den Kaffee machte, schüttete er den Inhalt der Tüte auf einen Teller und sammelte zerstreut mit der befeuchteten Zeigefingerspitze die Krumen auf. »Sie ist ein unbeschriebenes Blatt, diese Caroline Jackson«, sagte er. »Niemand scheint viel über sie zu wissen. Man hat den Namen gehört, aber nicht viele Leute haben sie je persönlich gesehen. Ich habe noch einmal mit dem Dealer gesprochen, mit dem Kramer dich in Kontakt gebracht hat. Er sagt, er hätte sie zum ersten Mal vor ungefähr sechs Jahren getroffen, als sie riskante Immobiliengeschäfte in Norwich machte.«
»Was für riskante Immobiliengeschäfte?« Tadeusz goss Kaffee ein und trug die Tassen zum Tisch hinüber. »Hör auf, die Krümel zu essen, Darko, du bist kein Bauer mehr«, fügte er freundlich hinzu.
Krasic setzte sich und nahm einen Schluck des kochend heißen Kaffees. Dass er so heiß war, schien ihn nicht zu stören. »Sie bekam einen Hinweis auf ein Supermarkt-Projekt, für das alte Häuser abgerissen werden mussten. Manche der Besitzer wollten zu dem absoluten Spottpreis, den sie bot, nicht an sie verkaufen, also hat sie die üblichen Methoden angewandt, um sie zu überzeugen.«
»Gewalt?«, fragte Tadeusz und nahm sich ein Hörnchen mit geröstetem Sesam.
»Nur wenn es gar nicht anders ging. Eher allgemeiner Terror gegen die Besitzer. Du weißt schon. Eingeschlagene Autoscheiben. Hundekot im Briefkasten. Kränze für eine Beerdigung auf der Türschwelle. Die ganze Nacht alle zwanzig Minuten Taxis, die sie nicht bestellt hatten. Sie war äußerst phantasievoll, nach allem, was man hört. Jedenfalls verkauften letzten Endes alle außer einer alten Dame, die hartnäckig darauf bestand, sie sei dort geboren und würde dort auch sterben. Na ja, sie war hartnäckig, bis sie eines Tages vom Einkaufen zurückkam und ihre Katze an die Haustür genagelt fand.«
Tadeusz zog die Luft scharf durch die Zähne ein. »Skrupellos. Das gefällt mir an einer Frau«, sagte er und grinste. »Ich nehme an, sie hat einen Riesengewinn gemacht, als sie das Land an den Supermarkt verkauft hat?«
»Kramers Bekannter schätzt, dass sie ungefähr eine Viertelmillion rausbekommen hat. Sie hat es als Einsatz für weitere Grundstücksgeschäfte genommen. Aber nie macht sie sich selbst die Hände schmutzig. Sie hält immer Abstand, sagt er. Und mit Drogenhandel hat sie überhaupt nichts zu tun. Er hat ihr einmal einen Anteil an einer Transaktion angeboten, aber sie sagte, sie wolle nicht der Sorte von Gangstern verpflichtet sein, mit denen er sich abgab. Er hat gehört, dass sie etwas auf einem alten Gelände der Amerikaner laufen hat, irgendwo draußen in der Pampa, aber er hat keine Ahnung, wo es ist.«
»Na ja, das passt.« Tadeusz wischte sich mit einer Leinenserviette die Krumen ab und griff nach seinem Zigarrenetui auf der anderen Seite des Tisches. »Und persönlich? Was ist ihr Hintergrund?«
»Was du mir gesagt hast, scheint koscher zu sein. Erinnerst du dich an den Typ, den wir letztes Jahr bezahlt haben, um die Computer beim Zollamt zu knacken? Hansi der Hacker? Also, ich hab ihm ein Bündel Kohle gegeben, damit er alles über Jackson auskundschaftet. Sie ist geboren, wo und wann sie angegeben hat. Hat an der Universität in Warwick studiert. Hat in den letzten drei Jahren am selben Ort gewohnt, in einem beknackten Herrenhaus in Suffolk. Zahlt ihre Steuern. Beim Finanzamt hält man sie für eine freiberufliche Beraterin, was immer das sein mag. Sieht auf dem Papier wie eine unbescholtene Bürgerin aus. Nicht vorbestraft, obwohl ihr mal Verabredung zur Rechtsbeugung vorgeworfen wurde. Aber sie haben es nie geschafft, sie vor Gericht zu bringen.«
»Wie steht’s mit Freunden? Ehemann? Geliebter?«
»Nichts. Kramers Kumpel nennt sie die Eisprinzessin. Er hat sie nie mit jemandem gesehen. Könnte Lesbe sein, soweit er weiß.«
Tadeusz schüttelte den Kopf, ein wissendes Lächeln auf den Lippen. »Sie ist keine Lesbe, Darko.«
Krasic sah einen Moment panisch erschrocken aus. »Du hast doch nicht mit ihr gebumst?«, fragte er in einem Ton, in dem sich Empörung und Ungläubigkeit mischten.
Tadeusz schloss die Augen und stieß den Rauch aus. »Musst du immer so
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