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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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allein hingeht. Beste Chance, ersten Kontakt aufzunehmen, ohne durch den Serben gestört zu werden?
    Sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht, allerdings gab es nicht viele Hinweise, woher sie die Informationen hatte. Es gefiel ihm nicht, dass eine Außenseiterin schon so viel über sie in Erfahrung hatte bringen können. Und jetzt wollte sie ihre Nase noch in ihre Geschäfte stecken. Er mochte das gar nicht. Nicht bei einer, die so clever war.
    Er schloss das Textverarbeitungsprogramm und versuchte, das Programm für die Buchführung zu öffnen. Dieses Mal stellte sich ihm die Frage nach dem Passwort wie eine Mauer entgegen. Das verübelte er ihr nicht. An ihrer Stelle hätte er das genauso gemacht. Es zeigte, dass sie begriff, was wirklich gefährlich war und was nicht.
    Krasic warf einen Blick auf seine Uhr. Er war schon fünfunddreißig Minuten in der Wohnung. Jetzt sollte er wohl besser den Laptop schließen. Er würde doch nicht mehr durch ihn erfahren, und wenn Jackson zurückkam, durfte er nicht mehr warm sein und verraten, dass er gelaufen war.
    Er wandte sich dem Schlafzimmer zu. Kleider hingen im Schrank, ein Armani-Kostüm, zwei Abendkleider mit Designernamen, die er noch nie gehört hatte, zwei Jeans von Armani, eine Hose von Paul Costello, ein halbes Dutzend Tops mit weiteren Designeretiketten. Drei Paar Schuhe lagen auf dem Boden verstreut, auf denen er die Marken Bally, Fly und Manolo Blahnik erkannte. Alle sahen relativ neu aus, innen waren die Namen der Hersteller noch ziemlich gut lesbar.
Eine zweite Imelda Marcos
, dachte er gleichgültig.
    Schließlich die Schubladen. Ihre Unterwäsche war nichts Besonderes. Sie gab offenbar lieber Geld für Dinge aus, die man sehen konnte, hielt sich aber an die großen Kaufhäuser, wenn es um das ging, was unbemerkt blieb. Es war ein interessanter Einblick in ihre Denkweise, brachte ihn aber auch nicht weiter bei der Nachforschung, ob sie wirklich die war, die zu sein sie vorgab. Von der Ergebnislosigkeit seiner Suche irritiert, stieß er die Schublade zu und ging ins Bad. Er hatte gerade den Schrank über dem Waschbecken aufgemacht, als sein Mobiltelefon klingelte.
    »Hallo?«
    »Ich bin’s, Rado. Sie geht jetzt weg. Sieht aus, als machte sie sich auf den Weg zu ihrer Wohnung.«
    »Danke. Ich melde mich bald.« Krasic stopfte sein Telefon in die Tasche zurück und schloss den Schrank. Es war Zeit, sich zu verkrümeln.
    Zum Glück brauchte er seinen Dietrich nicht, denn die Tür schnappte automatisch ins Schloss, wenn sie zugemacht wurde. Er wollte es nicht riskieren, den Aufzug zu nehmen, und ging auf die Nottreppe am Ende des Flurs zu. Innerhalb von zwei Minuten war er wieder draußen und verzog sich auf der anderen Straßenseite in eine Bar. Er hatte sein Glas Pilsner halb getrunken, als er sie ins Haus gehen sah. Rado kam in zehn Meter Abstand gemütlich hinter ihr her. Krasic starrte durch das Fenster auf Caroline Jacksons sich entfernenden Rücken. Obwohl er keinen Grund gefunden hatte, ihr nicht zu glauben, traute er ihr immer noch nicht.
     
    Emil Wolf sah aus, als hätte er den größten Teil seines Lebens in staubigen Archiven zugebracht, dachte Tony, als er ihm in dem kleinen Café in Prenzlauer Berg gegenübersaß. Er war dünn wie ein Laternenpfahl, und sein unordentliches graues Haar hing ihm in die Stirn, deren Haut dünn schien wie Pergament. Seine braunen Augen hinter den ovalen Brillengläsern waren rot gerändert und die Wangen blass. Sein Mund bildete eine kurze, strenge Linie, die Lippen waren fast unsichtbar, bis er den Mund zum Sprechen öffnete.
    »Ich danke Ihnen, dass Sie sich für mich Zeit nehmen«, sagte Tony.
    Wolf zog den Mundwinkel nach unten. »Petra kann sehr überzeugend sein. Hat sie Ihnen gesagt, dass ich früher mit ihrer Schwester verheiratet war?«
    Tony schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Wolf zuckte mit den Achseln. »Petra meint, das heißt, dass wir immer noch verwandt sind und ich nach ihrer Pfeife tanzen muss. Also, was kann ich für Sie tun, Dr. Hill?«
    »Ich weiß nicht, wie viel Ihnen Petra gesagt hat.«
    »Ich habe gehört, dass es sich um eine vertrauliche Angelegenheit handelt, die mit einem schweren Verbrechen zu tun hat. Und dass Sie es für möglich halten, dass der Täter oder jemand aus seiner Familie unter missbräuchlicher psychiatrischer Behandlung gelitten hat.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Da Sie mit mir sprechen möchten und dies mein Fachgebiet ist, nehme ich an, dass Sie vermuten, die Stasi könnte es

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