Ein kalter Tag im Paradies – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
legte sie auf den Couchtisch. Auf dem Tisch stand ein Hochzeitsfoto. Ich nahm es auf und betrachtete die Gesichter. Sylvia hob sich strahlend von der Weiße ihres Schleiers ab, Edwin grinste breit und blöd. Mein alter Herr hatte eine Redensart: »Er grinst wie ein Esel beim Hummelfressen.« Genauso sah Edwin an seinem Hochzeitstag aus, wie er da neben Sylvia stand. Ich stellte das Foto auf den Tisch zurück und lehnte den Kopf auf der Couch weit zurück. Irgendwann glitt ich dann ins Grenzland zwischen Wachsein und Schlummer.
Plötzlich hörte ich etwas. Ich fuhr aus meinem Dämmern auf. Wo kam das Geräusch her? Ich setzte mich auf und griff nach meiner Pistole.
Sie war weg.
Sylvia stand da und hatte die Pistole in der Hand. Sie zielte auf meine Brust.
»Sylvia, was zum Teufel …«
»Ich sollte dich töten«, sagte sie. »Ich sollte dich auf der Stelle töten. Das wäre ein Gefühl, Alex.« Ihr Nachthemd stand offen. Im Mondlicht konnte ich ihre Brüste sehen und das weiche Haar, das im Dunkel zwischen den Schenkeln verschwand. Sie machte keine Anstalten, sich zu bedecken.
»Sylvia …«
Sie legte die Pistole zurück auf den Couchtisch. »Du bist ein schöner Wachhund«, sagte sie im Weggehen. Sie ging die Treppe wieder hoch und ließ mich da im Dunkeln sitzen und wieder zu Atem kommen.
»Verdammt«, sagte ich leise. »Du blöde miese Schlampe.«
Ich stand auf, ging noch einmal durchs Haus und sah wieder aus den Fenstern. Ich ging bis hinten durch, wo die Gästezimmer lagen, und legte mein Ohr an Mrs. Fultons Tür. Ich konnte den Rhythmus ihres Atems im Schlaf hören.
Ich legte mich wieder auf die Couch und dachte, ich würde mein ganzes Leben keinen Schlaf mehr finden. Aber irgendwann schlummerte ich wieder ein. Ich konnte es nicht verhindern. Nach den beiden letzten Nächten mit ihrem Blut und den nächtlichen Anrufen war ich mehr als erschöpft. Wenigstens würde ich mir heute nacht keinen weiteren Anruf anhören müssen, dachte ich, als ich mich in den Schlaf fallen ließ.
Ich sah das Blut. Es war Mrs. Fultons Traum. Ich schwebte darüber. Es breitete sich nach allen Seiten aus, soweit ich nur sehen konnte.
Und dann sah ich den Wagen, der ruhig und stumm durch die Kiefern glitt. Seine Scheinwerfer waren aus. Den Fahrer konnte ich nicht sehen.
Und dann klingelte das Telefon.
Ich sprang von der Couch und stolperte über den Couchtisch. Ich wußte nicht, wo ich war. Das Telefon, wo ist das Telefon? Es klingelte wieder. Mir fiel ein, wo ich war. Ich griff nach der Pistole und ging nach oben. Das Telefon klingelte zum dritten Mal.
»Alex, bist du das?« Das war Edwin, drinnen im Schlafzimmer. Das Telefon klingelte zum vierten Mal.
»Ja!« Ich klopfte an ihre Tür und öffnete sie. Edwin hatte die Lampe neben dem Bett angeknipst. Sylvia saß neben ihm und blinzelte. Das Telefon klingelte zum fünften Mal.
»Soll ich drangehen?«
»Laß mich«, sagte ich. Ich ging an seine Seite des Bettes und kniete mich auf den Boden. Das Telefon klingelte zum sechsten Mal.
Ich nahm den Hörer auf. Am andern Ende war es still, bis ich endlich eine Männerstimme hörte: »Hallo? Ist da jemand?«
»Wer ist da?« fragte ich.
»Wer ist da ? Spreche ich mit Edwin Fulton?« Das war nicht die Stimme, die ich erwartete. Es war jemand anders, jemand, den ich kannte.
»Hier ist Alex McKnight. Wer ist da?«
»McKnight! Was machen Sie denn da? Hier ist Chief Maven!«
»Chief Maven«, sagte ich. Edwin sah mich erstaunt an.
»Verdammt noch mal; McKnight, was sind Sie? Sind Sie neuerdings Butler bei den Fultons?«
»Warum rufen Sie an?« fragte ich. »Wie spät ist es?«
»Das weiß ich nicht«, sagte er. »Wie spät, vielleicht drei Uhr, denke ich. Halb vier? Ich habe bei Mr. Fulton angerufen, um zu hören, ob er weiß, wo Sie sind. Ich war so enttäuscht, McKnight. Sie waren diesmal nicht am Tatort, um auf mich zu warten.«
»Maven, was zum Teufel ist los?«
»Es hat einen weiteren Mord gegeben«, sagte er. »Wieder ein Buchmacher, wie sich ergeben hat. Man hat den Kerl hinter einem Restaurant auf der Ashmun Street gefunden.«
»Was ist passiert?«
»Der Koch hat ihn gefunden, als er den Müll nach draußen brachte«, sagte er. »Sieht ganz so aus, als sei er mit drei oder vier Schüssen getötet worden.«
»Glauben Sie, daß es derselbe Mörder war?« Ich sah nach Edwin und Sylvia. Beide starrten mich an. Sylvia begann zu zittern.
»Nun, ich bin kein Hellseher, McKnight, aber ich habe das Gefühl,
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