Ein Kampf um Rom
gesundem Menschenverstand, einer von den wenigen
Gelehrten jener Zeit, welchen die gekünstelte Bildung in den Rhetorenschulen nicht die Fähigkeit, einfach aufzufassen und
gesund zu fühlen, unter den Schnörkeln byzantinischer Gelehrtheit erstickt hatte. Heller Verstand lagauf der offnen Stirn, und in dem noch jugendlich leuchtenden Auge glänzte die Freude an allem Guten.
Nachdem Cethegus Staub und Mühsal der Reise in einem sorgfältigen Bad abgespült, machte sein Wirt, ehe er ihn zur Abendtafel
in sein Zelt führte, mit ihm die Runde durch das Lager, ihm die Quartiere der wichtigsten Truppenteile, der bedeutendsten
Heerführer weisend und mit ein paar Worten deren Eigenart, Verdienste und oft buntzusammengesetzte Vergangenheit erläuternd.
Da waren die Söhne des rauhen Thrakiens, Constantinus und Bessas, die sich aus rohem Söldnerhandwerk emporgerungen, tapfre
Soldaten, aber ohne Bildung, mit dem ganzen Eigendünkel selbstgemachter Männer:– sie betrachteten sich als Belisars unentbehrliche
Stützen und ihn voll ersetzende Nachfolger. Daneben der vornehme Iberier Peranius, aus dem Königsgeschlecht der Iberier, der
feindlichen Nachbarn der Perser, der aus Haß gegen die persischen Überwinder Vaterland und Hoffnung des Thrones aufgegeben
und Dienste in des Kaisers Heer genommen. Dann Valentinus, Magnus und Innocentius, verwegene Führer der Reiterei, Paulus,
Demetrius, Ursicinus, die Führer des Fußvolks, Ennes, der isaurische Häuptling und Heerführer der Isaurier Belisars, Aigan
und Askan, die Führer der Massageten, Alamundarus und König Abocharabus, die Saracenen, Ambazuch und Bleda, die Hunnen, Arsakes,
Amazaspes und Artabanes, die Armenier – der Arsakide Phaza war mit dem Rest der Armenier in Neapolis zurückgelassen worden –, Azarethas und Barasmanes, die Perser, Antallas und Cabaon, die Mauren.
Sie alle kannte und nannte Prokopius, karg sein Lob, reichlich und mit Behagen spitzen, aber geistvollen Tadel spendend. Eben
wandten sie sich zu dem Quartier des Martinus, des friedlichen Städteverbrenners, zur Rechten, da fragte Cethegus, stehenbleibend:
»Und wessen ist das Seidenzelt dort auf dem Hügel, mit den goldnen Sternen und dem Purpurwimpel? und seine Wachen tragen goldne
Schilde?«
»Dort«, sprach Prokop, »wohnt Seine unüberwindliche Köstlichkeit, des römischen Reiches Oberpurpurschneckenintendant, Prinz
Areobindos, den Gott erleuchte.«
»Des Kaisers Neffe, nicht?«
»Jawohl, er hat des Kaisers Nichte, Projecta, geheiratet: sein höchstes und einziges Verdienst. Er ist hierhergesendet mit
der Kaisergarde, uns zu ärgern, und dafür zu sorgen, daß wir nicht so leicht siegen. Er ist Belisarius gleichgestellt, versteht
vom Krieg so wenig wie Belisar von den Purpurschnecken, und soll Statthalter von Italien werden.«
»So«, sprach Cethegus.
»Er wollte beim Lagerschlagen sein Zelt durchaus zur Rechten Belisars haben. Wir gaben nicht nach. Zum Glück hat Gott in seiner
Allweisheit jenen Hügel zur Lösung unsres Rangstreits schon vor Jahrtausenden hier aufgeworfen: nun lagert der Prinz zwar
links, aber höher als Belisarius.«
»Und wessen sind die bunten Zelte dort, hinter Belisars Quartier? Wer wohnt darin?«
»Dort«, seufzte Prokop, »ein sehr unglückliches Weib: Antonina, Belisars Gemahlin.«
»Sie unglücklich? die Gefeierte, die zweite Kaiserin? warum?«
»Davon ist nicht gut reden in offner Lagergasse. Komm mit ins Zelt, der Wein wird genug gekühlt sein.«
Elftes Kapitel
Im Zelte fanden sie die zierlichen Polster des Feldbetts um einen niedern Bronzetisch von durchbrochner Arbeit gelegt, den
Cethegus lobte.
»Das ist ein afrikanisches Beutestück aus dem Vandalenkrieg: ich nahm es aus Karthago mit. Und diese weichen Kissen lagen
einst auf dem Bett des Perserkönigs: ich erbeutete sie in der Schlacht von Dara.«
»Du bist mir ein praktischer Gelehrter!« lächelte Cethegus. »Wie bist du so anders geworden seit den Tagen von Athen.«
»Das will ich hoffen!« sprach Prokop und zerschnitt selbst – er hatte die aufwartenden Sklaven entfernt – die dampfende Hirschkeule
vor ihm.
»Du mußt wissen: ich wollte Philosophie zu meinem Beruf machen, Weltweiser werden. Drei Jahre hörte ich die Platoniker, die
Stoiker, die Akademiker zu Athen,– und studierte mich krank und dumm. Auch blieb es nicht bei der Philosophie. Nach löblicher
Sitte unsres frommen Jahrhunderts mußte auch die Theologie beigezogen werden:
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