Ein Kampf um Rom
sein Verstand Prokopius den Löwen Belisar«, sagte er laut.
»Nein!« seufzte Prokop, »vielmehr sein Unverstand, sein Weib.«
»Antonina! Sage, weshalb nanntest du sie unglücklich.«
»Weil sie halb ist und ein Widerspruch. Die Natur hat sie zu einem braven, treuen Weib angelegt: und Belisar liebt sie mit
der vollen Kraft seiner Heroenseele. Da kam sie an den Hof der Kaiserin. Theodora, diese schöne Teufelin, ist von Natur ebenso
zur Buhlschaft angelegt wie Antonina zur Tugend. Die Circusdirne hat gewiß noch nie einen Stachel des Gewissens empfunden.
Aber ich glaube, sie erträgt es nicht, ein ehrsam Weib in ihrer nächsten Nähe zu haben, das sie verachten müßte. Sie ruhte
nicht, bis es ihr gelungen, durch ihr höllisches Beispiel Antoninas Gefallsucht zu wecken. Gewissensqual empfindet diese über
ihr Spiel mit ihren Verehrern: denn sie liebt ihren Mann, sie betet ihn an.«
»Und doch? Wie mag ihr ein Held, wie Belisar, nicht genügen?« –
»Eben, weil er ein Held ist! Er schmeichelt ihr nicht, bei all seiner Liebe. Sie konnt’ es nicht tragen, die Buhler der Kaiserin
in Versen, Blumen, Geschenken sich erschöpfen zu sehen und selbst solcher Huldigung zu entbehren. Eitelkeit ward ihr Fallstrick.
Aber es ist ihr gar nicht wohl bei all dem Getändel.«
»Und ahnt Belisar?« –
»Keinen Schatten! Er ist der Einzige im ganzen römischen Kaiserreich, der es nicht weiß, was ihn doch zumeist angeht. Ich
glaube, es wäre sein Tod. Und auch deshalb schon darf Belisar nicht hier im Frieden Statthalter von Italien werden. Im Lager,
im Getümmel des Krieges, da fehlen dem gefallsüchtigen Weib die Schmeichler und auch die Muße, sie zu hören. Denn, gleichsam
zur freiwilligen Buße für jene süßen Verbrechen der heimlichen Gedichte und Blumen – gröberer Schuld ist sie gewiß nicht fähig –, Antonina überbietet alle Frauen an Pflichtstrenge; sie ist Belisars Freund, sein Mitfeldherr; sie teilt die Beschwerden
und Gefahren des Meeres, der Wüste, des Krieges mit ihm: sie arbeitet mit ihm Tag und Nacht, wenn sie nicht grade Verse andrer
auf ihre schönen Augen liest! – Schon oft hat sie ihn gerettet aus den Schlingen seiner Feinde am Hofe zu Byzanz. Kurz, nur
im Krieg, im Lager tut sie gut, da, wo auch seine Größe allein gedeiht.«
»Nun«, sprach Cethegus, »weiß ich genug, wie die Dinge hier stehen. Laß mich offen mit dir reden: du willst Belisar nach seinem
Sieg aus Italien wieder forthaben; ich auch: du um Belisars, ich um Italiens willen. Du weißt, ich war von jeher Republikaner. « – – –
Da schob Prokop den Becher zur Seite und sah seinen Gast bedeutsam an:
»Das sind alle jungen Leute zwischen vierzehn und einundzwanzig Jahren. Aber daß du’s noch bist – find’ ich – sehr – sehr
– unhistorisch. Aus diesem italischen Gesindel, unsern höchst liebwerten Bundesgenossen gegen die Goten, willst du Bürger
einer Republik machen? Sie sind zu nichts mehr gut als zur Tyrannis!«
»Ich will darüber nicht streiten!« lächelte Cethegus. »Aber vor
eurer
Tyrannis möcht’ ich mein Vaterland bewahren.«
»Kann dir’s nicht verdenken!« lächelte Prokop, »die Segnungen unsrer Herrschaft sind – erdrückend!«
»Ein eingeborner Statthalter unter dem Schutz von Byzanz genügt zunächst.«
»Jawohl, und dieser würde Cethegus heißen!«
»Wenn’s sein muß,– auch das!«
»Höre«, sprach Prokop ernsthaft, »ich warne dich dabei nur vor Einem. Die Luft von Rom heckt stolze Pläne aus. Man ist dort,
als Herr von Rom, nicht gern der zweite auf Erden. Und glaube dem Historikus: es ist doch nichts mehr mit der Weltherrschaft
Roms.«
Cethegus ward unwillig. Er gedachte der Warnung König Theoderichs. »Historikus von Byzanz, meine römischen Dinge kenne ich
besser als du. Laß dich jetzt einweihen in unsre römischen Geheimnisse; dann verschaffe mir morgen früh, eh’ die Gesandtschaft
von Rom anlangt, ein Gespräch mit Belisar und – sei eines großen Erfolges gewiß.«
Und nun begann er, dem staunenden Prokop mit raschen Strichen ein Bild der Geheimgeschichte der jüngsten Vergangenheit und
seine Pläne der Zukunft zu entwerfen, sein letztes Ziel wohlweislich verhüllend.
»Bei den Manen des Romulus!« rief Prokop, als er geendet hatte.
»Ihr macht noch immer Weltgeschichte an dem Tiber. Nun, hier meine Hand. Meine Hilfe hast du! Belisar soll siegen, doch nicht
herrschen in Italien; darauf laß’ uns noch einen Krug herben
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