Ein Kampf um Rom
Kern Italiens schien unwiederbringlich dem Kaiser verloren und der Herrschaft der Kirche anheimgegeben. Ein
banges Schweigen lagerte über den jüngst noch so herrischen Byzantinern, und triumphierend stand der Priester als Sieger in
ihrer Mitte.
Endlich sprach Belisar, der die Aufgabe der Bekämpfung oder die Schmach der Niederlage von sich abwälzen wollte: »Präfect
von Rom, was hast du zu erwidern?«
Mit einem kaum bemerkbaren Zucken des Spottes um die feinen Lippen verneigte sich Cethegus und begann:
»Der Angeklagte beruft sich auf eine Urkunde. Ich könnte, glaub’ ich, ihn in große Verlegenheit versetzen, wenn ich die Existenz
derselben bestritte, und die sofortige Vorlage des Originals von ihm verlangte. Indessen will ich dem Manne, der sich das
Haupt der Christenheit nennt, nicht wie ein gehässiger Anwalt begegnen. Ich räume ein, die Urkunde existiert.«
Belisar machte eine Bewegung hilflosen Verdrusses.
»Mehr noch! Ich habe dem heiligen Vater die Mühe der Vorlage derselben, die ihm sonst sehr schwerfallen dürfte, erspart, und
die Urkunde selbst mitgebracht in meiner tempelschänderischen Hand.«
Er zog ein vergilbtes Pergament aus dem Sinus und sah lächelnd bald in dessen Zeilen, bald auf des Papstes, bald auf Belisars
Gesicht, an deren Spannung sich weidend.
»Ja, noch mehr. Ich habe die Urkunde viele Tage lang mit feindselig forschenden Augen, mit Zuziehung noch schärfrer Juristen,
als ich es leider nur bin, so meines jungen Freundes Salvius Julianus, bis auf jeden Buchstaben nach ihrer formellen Gültigkeit
geprüft. Vergebens.– Selbst der Scharfsinn meines verehrten und gelehrten Freundes Scaevola könnte keinen Mangel herausinterpretieren.
Alle Formen des Rechts, alle Klauseln höchster unanfechtbarer Sicherheit sind in der Schenkungsakte haarscharf gewahrt; und
in der Tat: ich hätte den Protonotarius des Kaisers Constantin kennen mögen, er muß ein Jurist ersten Ranges gewesen sein.«
Er hielt inne – höhnisch ruhte sein Auge auf dem Antlitz des Silverius, der sich den Schweiß von den Schläfen wischte.
»Also«, fragte Belisar in höchster Aufregung: »die Urkunde ist formell ganz richtig – daher beweiskräftig?«
»Jawohl!« seufzte Cethegus, »die Schenkung ist in ganz makelloser Ordnung. Schade nur, daß –«
»Nun?« unterbrach Belisar.
»Schade nur, daß sie falsch ist.«
Da flog ein Schrei von allen Lippen. Belisar, Antonina sprangen auf, alle Anwesenden traten einen Schritt näher zu dem Präfecten.
Nur Silverius wankte einen Schritt zurück.
»Falsch?« fragte Belisar mit einem Ruf, der wie ein Jubel klang.
»Präfect,– Freund,– kannst du das beweisen?«
»Sonst hätte ich mich gehütet, es zu behaupten. Das Pergament, auf welches die Schenkung geschrieben ist, zeigt alle Spuren
eines hohen Alters: Brüche, Wurmstiche, Flecken jeder Art,– alles, was man von Ehrwürdigkeit verlangen kann,– so daß es manchmal
sogar schwierig ist, die Buchstaben zu erkennen. Gleichwohl stellt sich die Urkunde nur so alt; mit so großem Aufwand von
Kunst, als manche Frauen sich den Schein der Jugend geben, lügt sie die Heiligkeit des Alters. Es ist echtes Pergament aus
der alten, von Constantin begründeten, noch heute bestehenden kaiserlichen Pergamentfabrik zu Byzanz.«
»Zur Sache«, rief Belisar.
»Aber es ist wohl nicht jedem bekannt – und es scheint auch leider dem heiligen Bischof entgangen zu sein,– daß bei diesen
Pergamenten ganz unten links am Rande durch Stempelschlag das Jahr der Fertigung durch Angabe der Jahreskonsuln in allerdings
kaum wahrnehmbaren Buchstaben bezeichnet wird. Nun gib wohl acht, o Feldherr! Die Urkunde will, wie sie im Texte sagt, gefertigt
sein im sechzehnten Jahre von Constantins Regierung, im gleichen Jahre, da er die Heidentempel schließen ließ, wie das fromme
Pergament besagt, ein Jahr nach der Erhebung von Constantinopolis zur Hauptstadt, und nennt richtig die richtigen Konsuln
dieses Jahres, Dalmatius und Xenophilos. Da ist es nun wirklich nur durch ein Wunder zu erklären,– aber hier hat Gott, der
Herr, ein Wunder gegen seine Kirche getan,– daß man in jenem Jahre, also im Jahre dreihundertundfünfunddreißignach der Geburt des Herrn, schon ganz genau wußte, wer im Jahr nach dem Tode des Kaisers Justinus und des Königs Theoderich
Konsul sein würde; denn seht, hier unten am Rande der Stempel besagt: der Schreiber hatte ihn nicht beachtet – er ist auch
wirklich
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