Ein Kampf um Rom
gestern die Bischöfe fort und kehrte tief in mich selber ein. Und dachte und flehte und
rang zu Gott. Und ich ward ruhiger. Und sieh, in der Nacht kam über mich tiefer Schlummer, wie ich ihn seit langen Monden
nicht mehr gekannt. Und als ich erwachte, da schauerte kein Fieber der Qual mehr in meinen Gliedern. Ruhig war ich und klar.
Und dachte dieses: ›Ich habe es getan, und keine Gnade, kein Wunder Gottes macht es ungeschehen. Wohlan, er strafe mich. Und
wenn er der zornige Gott des Moses, so räche er sich und strafe mit mir mein ganzes Haus bis ins siebente Glied. Ich weihe
mich und mein Geschlecht der Rache des Herrn. Er mag
uns
verderben: er ist gerecht. Aber weil er gerecht ist,
kann
er nicht strafen dieses edle Volk der Goten um fremde Schuld. Er
kann
es nicht verderben um des Frevels seines Königs willen. Nein, das wird er nicht. Und muß dies Volk einst untergehen,–ich fühl’ es klar, dann ist es nicht um meine Tat. Für diese weih’ ich mich und mein Haus der Rache des Herrn.‹ Und so kam
Friede über mich, und mutig mag ich sterben.«
Er schwieg. Hildebrand aber neigte das Haupt und küßte die Rechte, welche Odovakar erschlagen hatte.–
»Das war mein Abschied an dich. Und mein Vermächtnis, mein Dank für ein ganzes Leben der Treue.– Jetzt laß uns den Rest der
Zeit noch diesem Volk der Goten zuwenden. Komm, hilf mir aufstehen, ich kann nicht in den Kissen sterben. Dort hängen meine
Waffen. Gib sie mir! – Keine Widerrede –! Ich will. Und ich kann.«
Hildebrand mußte gehorchen: rüstig erhob sich mit seiner Hilfe der Kranke von dem Lager, schlug einen weiten Purpurmantel
um die Schultern, gürtete sich mit dem Schwert, setzte den niedern Helm mit der Zackenkrone auf das Haupt und stützte sich
auf den Schaft der schweren Lanze, den Rücken gegen die breite dorische Mittelsäule des Gemaches gelehnt.
»So, jetzt rufe meine Tochter. Und Cassiodor. Und wer sonst da draußen.«
Siebentes Kapitel
So stand er ruhig, während der Alte die Vorhänge an der Tür zu beiden Seiten zurückschlug, so daß Schlafzimmer und Vorhalle
nunmehr Einen ungeschiedenen Raum bildeten. Alle draußen Versammelten – es hatten sich inzwischen noch mehrere Römer und Goten
eingefunden – näherten sich mit Staunen und ehrfürchtigem Schweigen dem König.
»Meine Tochter«, sprach dieser, »sind die Briefe aufgesetzt, welche meinen Tod und meines Enkels Thronfolge nach Byzanz berichten
sollen?«
»Hier sind sie«, sprach Amalaswintha.
Der König durchflog die Papyrosrollen.
»An Kaiser Justinus. Ein zweiter: an seinen Neffen Justinianus. Freilich, der wird bald die Krone tragen und ist schon jetzt
der Herr seines Herrn! Cassiodor hat sie verfaßt – ich sehees an den schönen Gleichnissen. Aber halt« – und die hohe, klare Stirn verdüsterte sich – »›eurem kaiserlichen Schutze meine
Jugend empfehlend.‹ Schutze? Das ist des Guten zuviel. Wehe, wenn ihr auf Schutz von Byzanz gewiesen seid.
Freundschaft
mich empfehlend ist genug von dem Enkel Theoderichs.« Und er gab die Briefe zurück. »Und hier ein drittes Schreiben nach Byzanz?
An wen? An Theodora, die edle Gattin Justinians? Wie! an die Tänzerin vom Circus? Des Löwenwärters schamlose Tochter?«
Und sein Auge funkelte.
»Sie ist von größtem Einfluß auf ihren Gemahl«, wandte Cassiodor ein.
»Nein, meine Tochter schreibt an keine Dirne, die aller Weiber Ehre besudelt hat.«
Und er zerriß die Papyrosrolle und schritt über die Stücke zu den Goten im Mittelgrund der Halle. »Witichis, tapferer Mann,
was wird dein Amt sein nach meinem Tod?«
»Ich werde unser Fußvolk mustern zu Tridentum.«
»Kein Bessrer könnte das. Du hast noch immer nicht den Wunsch getan, den ich dir damals freigestellt nach der Gepidenschlacht.
Hast du noch immer nichts zu wünschen?«
»Doch, mein König.«
»Endlich! Das freut mich,– sprich.«
»Heute soll ein armer Kerkerwart, weil er sich weigerte, einen Angeklagten zu foltern und nach dem Lictor schlug, selbst gefoltert
werden. Herr König, gib den Mann frei: das Foltern ist schändlich und –«
»Der Kerkerwart ist frei, und von Stund an wird die Folter nicht mehr gebraucht im Reich der Goten. Sorg dafür, Cassiodorius.
Wackrer Witichis gib mir die Hand. Auf daß alle wissen, wie ich dich ehre, schenk’ ich dir Wallada, mein lichtbraun Edelroß,
zum Gedächtnis dieser Scheidestunde. Und kommst du je auf seinem Rücken in Gefahr, oder« – hier
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