Ein Kampf um Rom
des Mundes bekundete, trotz dem grimmen und leise ergrauenden Bart, jene Milde und friedliche Weisheit, mit welcher
der König ein Menschenalter lang für Italien eine goldne Zeit zurückgeführt und sein Reich zu einer Blüte erhoben hatte, welche
damals schon Sprichwort und Sage feierten. Lang ließ er mit Huld und Liebe das goldbraune Adlerauge auf dem riesigen Krankenwart
ruhen. Dann reichte er ihm die magre, aber nervige Rechte. »Alter Freund«, sagte er, »nun wollen wir Abschied nehmen.«
Der Greis sank in die Knie und drückte die Hand des Königs an die breite Brust.
»Komm, Alter, steh auf: muß
ich dich
trösten?«
Aber Hildebrand blieb auf den Knien und erhob nur das Haupt, daß er dem König ins Auge sehen konnte. »Sieh«, sprach dieser,
»ich weiß, daß du, Hildungs Sohn, von deinen Ahnen, von deinem Vater her tiefere Geheimkunde hast von der Menschen Siechtum
und Heilung als alle diese griechischen Ärzte und lydischen Salbenkrämer. Und vor allem: du hast mehr Wahrhaftigkeit. Darum
frage ich dich, du sollst mir redlich bestätigen, was ich selbst fühle: sprich, ich muß sterben? heute noch? noch vor Nacht?«
Und er sah ihn an mit einem Auge, das nicht zu täuschen war. Aber der Alte wollte gar nicht täuschen, er hatte jetzt seine
zähe Kraft wieder.
»Ja, Gotenkönig, Amalungen-Erbe, du mußt sterben«, sagte er: »die Hand des Todes hat über dein Antlitz gestrichen. Du wirst
die Sonne nicht mehr sinken sehen.«
»Es ist gut«, sagte Theoderich, ohne mit der Wimper zu zucken. »Siehst du, der Grieche, den ich fortgeschickt, hat mir noch
von ganzen Tagen vorgelogen. Und ich brauche doch meine Zeit.«
»Willst du wieder die Priester rufen lassen?« fragte Hildebrand, nicht mit Liebe.
»Nein, ich konnte sie nicht brauchen. Und ich brauche sie nicht mehr.«
»Der Schlaf hat dich sehr gestärkt und den Schleier von deiner Seele genommen, welcher sie so lang verdunkelt. Heil dir, Theoderich,
Theodemers Sohn, du wirst sterben wie ein Heldenkönig.«
»Ich weiß«, lächelte dieser, »die Priester waren dir nicht genehm an diesem Lager. Du hast recht. Sie konnten mir nicht helfen.«
»Nun aber,– wer hat dir geholfen?«
»Gott und ich selbst. Höre. Und diese Worte sollen unser Abschied sein! Mein Dank für deine Treue von fünfzig Jahren sei es,
daß ich dir allein, nicht meiner Tochter, nicht Cassiodor, es vertraue, was mich gequält hat. Sprich: was sagt man im Volk,
was glaubst du, daß jene Schwermut war, welche mich plötzlich befallen und in dieses Siechtum gestürzt hat?«
»Die Welschen sagen: Reue über den Tod des Boëthius und Symmachus.«
»Hast du das geglaubt?«
»Nein, ich mochte nicht glauben, daß dich das Blut der Verräter bekümmern kann.«
»Du hast wohlgetan. Sie waren vielleicht nicht des Todes schuldig: nach dem Gesetz, nach ihren Taten. Und Boëthius habe ich
sehr geliebt. Aber sie waren tausendfach Verräter! Verräter in ihren Gedanken, Verräter an meinem Vertrauen, an meinem Herzen.
Ich habe sie, die Römer, höhergehalten als die Besten meines Volkes. Und sie haben, zum Dank, meine Krone dem Kaiser gewünscht,
dem Byzantiner Schmeichelbriefe geschrieben: sie haben einen Justin und einen Justinian der Freundschaft des Theoderich vorgezogen
–: mich reut der Undankbaren nicht. Ich verachte sie. Rate weiter! Du, was hast du geglaubt?«
»König, dein Erbe ist ein Kind, und du hast ringsum Feinde.«
Der Kranke zog die kühnen Brauen zusammen:
»Du triffst näher ans Ziel. Ich habe stets gewußt, was meines Reiches Schwäche. In bangen Nächten hab’ ich geseufzt um seine
innere Krankheit, wenn ich am Abend beim Gastgelag den fremden Gesandten den Stolz höchster Zuversicht gezeigt hatte. Alter,
du hast, ich weiß, mich für allzu sicher gehalten. Aber mich durfte niemand beben sehen. Nicht Freund noch Feind. Sonst bebte
mein Thron. Ich habe geseufzt, wenn ich einsam war, und meine Sorge allein getragen.«
»Du bist die Weisheit, mein König, und ich war ein Tor!« rief der Alte.
»Sieh«, fuhr der König fort,– mit der Hand über die des Alten streichend –, »ich weiß alles, was dir nicht recht an mir gewesen. Auch deinen blinden Haß gegen diese Welschen kenne ich. Glaube mir,
er ist blind. Wie vielleicht meine Liebe zu ihnen war.«
Hier seufzte er und hielt inne.
»Was quälst du dich.«
»Nein, laß mich vollenden. Ich weiß es, mein Reich, das Werk meines ruhmvollen, mühevollen Lebens, kann fallen,
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