Ein Kampf um Rom
Wahrzeichen nur gilt: für
die Erde der Heimat zu kämpfen.‹ Sagt Homer. Freilich, Cethegus kämpft nicht nur für die Erde der Heimat. Er kämpft fast noch
mehr für sich. Aber hat es nicht dieser Tag beschämend gezeigt? Rom ist Cethegus: und Cethegus ist Rom. Nicht jene namenvergessnen
Römer. Rom ist heute noch viel mehr Cethegus als – damals Rom Cäsar gewesen. War er nicht auch ein Tyrann im Sinne der Toren?«
Und er sprang unruhig wieder auf und trat an die Kolossalstatue des großen Ahnherrn heran.
»Göttlicher Julius, könnte ich beten:– heute würd’ ich beten – beten zu dir. Hilf, vollende deines Enkels Werk! Wie schwer,
wie blutig, wie hart hab’ ich gerungen seit jenem Tage, da mir zuerst aus deinem Marmorhaupt der Gedanke der Erneuerung deines
Rom entgegensprang: fertig, in Waffen klirrend, wie Pallas Athene aus dem Haupte des Zeus! Wie hab’ ich gekämpft mit dem Schwert
und dem mehr ermüdenden Gedanken Tag und Nacht! Und war ich siebenmal zu Boden gerungen von der Übermacht zweier Völker, hab’
ich mich siebenmalwieder emporgerafft: unbezwungen und unverzagt! Vor einem Jahr schien mir das Ziel so nahe. Und jetzt, heute nacht, muß ich
um die letzten Häuser Roms, um mein Haus, um mein Leben kämpfen mit diesem Knaben im blonden Haar. Wär’ es denkbar? Sollt’
ich erliegen müssen? Nach so viel Arbeit? Nach solchen Taten? Vor dem Glückstern eines Jünglings? Soll es denn wirklich unmöglich
sein, auch für deinen Enkel unerzwingbar, daß ein Mann sein Volk ersetze, bis er es erneuen, bis es sich selbst erneuen kann?
Daß ein Mann der Barbaren- und der Griechenwelt obsiege? Soll nicht Cethegus das Rad der Dinge erst halten und dann rückwärts
rollen können? Muß ich erliegen, weil ich allein stehe, ein Feldherr ohne Heer, ein Mann ohne Volk an seiner Schulter? Soll
ich weichen müssen aus deinem, aus meinem Rom? Ich kann es, ich will es nicht denken! Hat nicht auch dein Stern sich verdunkelt
kurz vor Pharsalus? Und schwammst du nicht blutend, das Leben zu retten, unter hundert Pfeilen über den Nil? Und doch hast
du’s vollbracht. Und zogst im Triumphe wieder ein in deinem Rom. Nicht schlimmer wird es mir, deinem Enkel, ergehn! Nein,
ich werde mein Rom nicht verlieren. Nicht mein Haus, nicht dies, dein göttergleiches Bild, das mir oft, wie den Christen ihres
Kreuzes Anblick, Trost und Hoffnung gespendet. Und dem zum Wahrzeichen – bleibe dir anvertraut, was unter deinem Schild am
sichersten geborgen:– wo auf Erden wäre Sicherheit, wenn nicht bei dir? Es war eine Stunde der Verzagtheit, da ich diese Geheimnisse
und manchen Schatz Syphax zum Vergraben in der Erde anvertrauen wollte. Geht Rom, dies Haus, dies Heiligtum mir verloren,–
mögen auch diese Aufzeichnungen verloren sein. Und dann – wer wird die Chiffrenschrift entziffern? Nein, wie die Briefe, das
Tagebuch, sollst du mir auch diese Schätze wahren.«
Und er zog ein ziemlich großes Ledersäckchen, das er unter dem Panzer und der Tunica auf der Brust getragen, hervor. Kostbarste
Perlen und edelste Edelsteine hatte er darin verborgen. Dann rührte er an die Feder an den linken Rippen der Statue, unterhalb
des Schildrandes. Und er holte aus der schmalen Öffnung, die sich auftat, ein längliches Kästchenvon Elfenbein mit kunstvoll geschnitzten Gestalten und mit goldenem Verschluß, welches allerlei Aufzeichnungen in kleinen
Papyrosrollen enthielt. Er legte das Säckchen in dies Kästchen.
»Hier, großer Ahnherr: wahre mir Geheimnisse und Schätze. Bei wem sollten sie sicher sein, wenn nicht bei dir?« –
Damit schloß er wieder die Klappe, welche nun nicht durch die schmalste Fuge eine Öffnung verriet.–
»Unter deinem Schild! An deinem Herzen! Zum Pfande, daß ich dir vertraue und meinem cäsarischen Glück.– Daß ich nicht von
dir, von Rom, abzudrängen bin. – Wenigstens nicht auf die Dauer! Müßte ich selbst weichen,– ich kehre wieder. Und wer sucht
meine Schätze und meine Geheimnisse bei dem toten Cäsar! Hüte sie mir.«
Wäre das Wasser in dem Amethystkelch schwerster Wein gewesen, der Trunk hätte nicht berauschender erregen können als dieses
ringende Gespräch: halb Selbstgespräch, halb Zwiegespräch mit der wie ein Dämon verehrten Statue. Die übermenschliche Anspannung
aller Kräfte des Geistes und des Leibes in den letzten Wochen: das sieglose Ringen des heutigen Tages auf dem Forum: der sofort
nach dem Erliegen neu gefaßte,
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