Ein Kampf um Rom
Wer hat euch jahrelang
Arbeit, Brot, und – was mehr ist – Waffen gegeben? Wer hat euch geschirmt – Belisar oder Cethegus? – als dieser Barbaren fünfzehn
Myriaden vor euren Wällen lagen? Wer hat Rom mit seinem Herzblut gerettet vor König Witichis. Wohlan,zum letzten Male ruf ’ ich euch zum Kampf. Hört mich, ihr Enkel des Camillus. Wie er die Gallier, die schon die Stadt gewonnen,
vom Capitol herab hinweggefegt, mit der Kraft des römischen Schwertes, so will ich diese Goten hinwegfegen. Schart euch um
mich! Zum Ausfall! Und erprobt, was Römerkraft vermag, wenn sie Cethegus führt und die Verzweiflung. Wählt!«
»Ja, wählt!« rief Totila, sich hocherhebend in den Bügeln. »Wählt zwischen sichrem Untergang und sichrer Freiheit. Folgt ihr
noch einmal diesem Wahnwitzigen, kann ich euch nicht mehr schützen. Hört hier Graf Teja von Tarent zu meiner Rechten. Ihr
kennt ihn, denk’ ich. Ich kann euch nicht länger schützen.«
»Nein«, rief Teja, das mächtige Schlachtbeil erhebend, »dann keine allzu gnädige Gnade mehr, beim Gott des Hasses. Verwerft
ihr diese allerletzte Gunst: kein Leben wird verschont in diesen Mauern. Ich hab’s geschworen und Tausende mit mir!«
»Ich biete euch volles Vergessen eurer Schuld und will euch ein milder König sein. Fragt in Neapolis, ob ich’s verstehe. Wählt
zwischen mir und dem Präfecten.«
»Heil König Totila! Zum Tode den Präfecten!« scholl es einstimmig in der Runde.
Und, wie auf ein gegebenes Zeichen, warfen sich die Weiber und Kinder, mit erhobenen Händen, wie anbetend, auf die Knie vor
dem König, während alle die Tausende von Bewaffneten drohend, fluchend ihre Speere und Schwerter wider den Präfecten erhoben
und mancher Wurfspieß gegen ihn flog:– es waren die Waffen, die er ihnen selbst geschenkt.
»Hunde sind es! Nicht Römer!«
So sprach Cethegus im tiefsten Zornesdrang und riß sein Roß herum.
»Aufs Capitol!«
Und in gewaltigem Satz, hochausgreifend, sprang sein edler Rappe über die Reihe der knienden, kreischenden Frauen hinweg,
durch den Hagel von Geschossen, welche ihm jetzt die Römer nachschleuderten, die wenigen Beherzten niederreitend, welche mit
Lanzen ihm den Weg verrennen wollten. Bald war sein roter Helmbusch verschwunden. Sausend folgten ihmseine Reiter. Die Lanzenträger wichen langsam, in guter Ordnung, manchmal wendend und die Speere fällend. So erreichten sie
die hohe Schanze, welche, besetzt von Marcus Licinius, den Aufgang auf das Capitol und den Weg zu des Präfecten Hause sperrte.–
»Was zunächst? Sollen wir folgen?« fragten die Römer den König.
»Nein! Halt! Alle Tore reißt auf. Wagen mit Brot und Fleisch und Wein stehen bereit in unsern Lagern. Diese fahrt in alle
Regionen der Stadt. Speiset und tränket drei Tage lang das Volk von Rom. Meine Goten überwachen und verhüten das Unmaß.«
»Und der Präfect?« fragte Herzog Guntharis.
»Cethegus Cäsarius, der Expräfect von Rom, wird dem Gott der Rache nicht entgehn!« rief Totila, sich wendend.
»Und nicht mir!« rief der Hirtenknabe.
»Und nicht mir!« sprach Teja, und sprengte davon.
Zehntes Kapitel
Die meisten Regionen von Rom waren durch die Entscheidung auf dem Forum Romanum in die Hand der Goten gefallen. Was Cethegus
noch besetzt hielt, war nur der Stadtteil auf dem rechten Tiberufer, vom Grabmal Hadrians im Norden bis zur Porta Portuensis
im Süden, bei welcher über den Fluß der Riegel von Masten und dahinter ein zweiter von straffgespannten Ketten gezogen war.
Auf dem linken Tiberufer hatte der Präfect nur noch den kleinen, aber beherrschenden Abschnitt westlich vom Forum Romanum
inne, dessen Mittelpunkt das Capitol bildete: abgegrenzt durch Mauern und hohe Schanzen, welche sich von dem Tiberufer an
den Fuß des capitolinischen Hügels und um diesen östlich her bis an das Forum Trajans im Norden erstreckten, während sie im
Rücken, im Westen des Capitols, zwischen dem Circus Flaminius und dem Theater des Marcellus, jenen preisgebend, dieses noch
einschließend, bis an die fabricische Brücke und die Tiberinsel reichten.
Der Rest des Tages verging den befreiten Römern in der Stadt mit jubelnden Festen bei Schmaus und Gelag. Auf den Hauptplätzen
der ihm geöffneten Regionen ließ der König die achtzig vierspännigen Wagen voller Vorräte auffahren. Und um sie her lagerte
sich auf den Steinen und rasch gezimmerten Bänken das hungernde Volk, Gott, den Heiligen und dem »besten
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