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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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Herrscherstab, der oben die Weltkugel aus einem einzigen großen Smaragd und
     daraufdas Goldkreuz trug. Fest ergriff ihn der Kaiser und sprang von der Kline auf.
    »Noch die Sandalen, Herr, die Kothurnsandalen«, mahnte ein kniender Kämmerer.
    »Nein, heute brauch’ ich keinen Kothurn«, sprach Justinian und schritt aus dem Gemach.
    Über die Löwentreppe, benannt von vierundzwanzig aus Karthago von Belisar eingebrachten hohen Marmorlöwen, welche die zwölf
     Stufen von beiden Seiten bewachten, stieg der Kaiser in ein tieferes Geschoß und in den großen Beratungssaal des Palastes,
     den »Saal von Jerusalem«. Dieser trug seinen Namen von den Porphyrsäulen, Onyxschalen, Goldtischen und zahllosen Goldgeräten,
     welche, an den Wänden und auf Halbsäulen angebracht, der Überlieferung nach dereinst den Tempel von Jerusalem geschmückt.
     Von dort hatte Titus nach der Eroberung der Stadt diese Schätze nach Rom entführt. Aus Rom hatte sie der Meerkönig Geiserich
     auf seinen vandalischen Drachenschiffen, gleichzeitig mit der Kaiserin Eudoxia, nach seiner Hauptstadt Karthago getragen.
     Und nun hatte sie Belisar aus Afrika dem Kaiser des Ostreichs zugeführt.
    Die Kuppel des Saales war dem Himmelsgewölbe nachgebildet, aus kostbaren blauen Halbedelsteinen zusammengefügt: und außer
     der Sonne, dem Mond, dem Auge Gottes, dem Lamm, dem Fisch, den Vögeln, der Palme, der Rebe, dem Einhorn und andern christlichen
     Symbolen war der ganze Zodiakus, und waren zahllose Sterne aus massivem Golde in die Mosaikarbeit eingelassen. Die Kosten
     dieser Kuppel allein schlug man in Byzanz so hoch an als das Gesamterträgnis der Grundsteuer des ganzen Reiches für fünfundvierzig
     Jahre. Gegenüber den drei hohen Eingangsbogen, welche von Vorhängen geschlossen und außerhalb des Saales – es war der einzige
     Eingang – von der kaiserlichen Leibwache der »Goldschildner« in dreifacher Kette gehütet waren, erhoben sich in der Tiefe
     des halbrunden Saales der Thron des Kaisers und, links von diesem, etwas niedrer, der der Kaiserin.
    Als Justinian den Saal betrat mit großem Gefolge der Palastdiener, warfen sich alle Versammelten, die höchsten Würdenträgerdes Reiches, auf das Antlitz zu demütiger Proskynese. Auch die Kaiserin erhob sich, beugte tief das Haupt und kreuzte die
     Arme auf der Brust: ihre Kleidung war der des Gemahls ganz ähnlich: auch ihre weiße Stola überwallte der Purpurmantel, welchem
     jedoch der kaiserliche Clavus fehlte. Auch sie trug ein Scepter, aber nur ein ganz kurzes, aus Elfenbein. Einen matten, aber
     verachtungsvollen Blick warf die Herrscherin über die Patriarchen, Erzbischöfe, Bischöfe, Patrizier und Senatoren, welche,
     über dreißig an der Zahl, die im Halbkreis aufgestellten goldnen Stühle mit den Seidenpolstern füllten.
    Durch den in der Mitte den Saal durchschneidenden Gang schritt nun Justinianus und bestieg mit raschem, sichrem Schritt seinen
     Thron, das Scepter schwingend. Zwölf der ersten Palastbeamten standen auf den Stufen der beiden Throne, weiße Stäbe in den
     Händen. Trompetenschall gab nun den auf das Antlitz Gesunknen das Zeichen, sich zu erheben.
    »Wir haben euch berufen«, hob der Kaiser an, »heilige Bischöfe und erlauchte Senatoren, in schwerer Sache euren Rat zu hören.
     Aber warum fehlt unser Magister Militum per Orientem, Narses?«
    »Er ist gestern erst aus Persien eingetroffen – er liegt schwerkrank zu Bett«, meldete der Proto-Keryx.
    »Unser Quästor sacri palatii Tribonianus?«
    »Ist noch nicht zurück von deiner Sendung nach Berytus um die Codices.«
    »Warum fehlt Belisarius, unser Magister Militum per Orientem extra Ordinem?«
    »Er wohnt nicht in Byzanz, sondern drüben in Asien, in Sycae, im roten Hause.«
    »Er hält sich sehr abseits im roten Hause. Das mißfällt uns. Was entzieht er sich unsrem Blick?«
    »Er war dort nicht zu finden.«
    »Auch nicht im Hause seines Freigelassnen Photius, im Muschelhaus?«
    »Er war auf die Jagd geritten, die persischen Jagdleoparden zu erproben«, sagte Leo, der Comes Spatariorum.
    »Er ist nie da, wenn man ihn braucht. Und immer, wenn manihn nicht braucht. Ich bin nicht zufrieden mit Belisarius. – Vernehmt nun, was geschehen, was uns in den letzten Tagen durch
     viele Briefe zuging: zuletzt sollt ihr auch mündlichen Bericht der Boten hören.– Ihr wißt: wir haben den Krieg in Italien
     einschlafen lassen, weil wir – andre Aufgaben hatten für unsre Feldherrn. Ihr wißt: der Barbarenkönig

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