Ein Kampf um Rom
weil die
süßeste Selbstsucht.«
»Und Christus? starb er vielleicht auch aus Selbstsucht?«
»Gewiß, aus einer edeln Schwärmerei! Sein Egoismus galt der Menschheit! Sie hat ihm danach vergolten: gekreuzigt haben sie
ihn für seine Liebe. Wie Justinian dem Belisar, wie Rom dem Cethegus vergilt. Die Selbstsucht der Schwächlinge ist erbärmlich:
die der Starken großartig. Das ist der einzige Unterschied der Menschen.«
»Nein, Freund! Das ist die Sophistik einer starken Leidenschaft. Das Höchste ist: das Gute nur durch gute Mittel anstreben.
Zu diesem Höchsten ist Prokop zu klein, die Zeit zu schwach. Aber laß uns wenigstens durch böse Mittel nur dem Guten dienen:
nicht dem Bösen, nicht der Selbstsucht. Wehe mir, wenn ich einst an dir irre werden müßte. Ich glaube anden Schwerthelden Belisar, an den Geisteshelden Cethegus. Wehe, wenn mir aus meinem Heros Cethegus einst ein Dämon würde.
Ich begreife, daß die Menschen dich scheuen, dich fürchten wie Lucifer, den gefallnen Engel des Morgensterns. ›Alle seine
Feinde erliegen vor ihm‹, sagte mir einst Antonina, die dich abergläubisch fürchtet. Und sie hat recht. Gothelindis,– Petros,
unser pfiffiger Schulkamerad, der jetzt Marmor sägt und Steine klopft bei den Hunnen,– Papst Silverius, den der Kaiser immer
noch auf Sicilien gefangenhält, wie Scaevola und Albinus:– dem hat er seine Seele, d. h. sein Geld, genommen.«
»Ich könnte die Beispiele noch mehren«, sagte Cethegus, die Brauen zusammenziehend. »Aber ich will die zürnenden Schatten
nicht heraufbeschwören aus ihrer Grabesruhe. Nur den dicken Balbus«, lachte er, »will ich erwähnen. Ich hatte ihm die Ehre
zugedacht, wie Gottes Sohn zu sterben. Aber er hat sich
seinem
Gott, d. h. seinem Bauch, freiwillig geopfert. Von Quintus Piso, den der Barbarenkönig aus der Gefangenschaft ohne Lösegeld entließ,
wie den Marcus Massurius und Salvius Julianus, erfuhr ich sein Ende. Er bestach die gotischen Wachen, welche das Unmaß des
Fressens der Heißhungrigen verhüten sollten, mit seinen letzten Goldstücken, ihn essen zu lassen, solang er wollte. Er aß
drei Stunden. In der vierten war er tot. Er starb im Dienst. Aber was hilft all das Verderben meiner kleinen Feinde? Solang
in Rom ein Feind triumphierend thront, der wahrlich groß ist« – und er hielt inne, dann fuhr er grimmig fort – »aber nur an
sinnlosem, maßlosem Glück.«
»Bist du nicht ungerecht gegen diesen König Totila? Wird nicht dereinst sein Geschichtsschreiber anders –?«
»Ich aber bin nicht dereinst sein Geschichtsschreiber. Ich bin jetzt sein Feind bis zum Tode. Ha, der Tag, da dieses Knaben
Herzblut mir von des Speeres Spitze träuft – ich muß ihn noch erleben. Begreifen kann ich Achilleus, der die Leiche des erschlagnen
Hektor dreimal um die Wälle schleift. Seit ich zuerst kämpfe um mein Rom, steht immer und immer wieder, und meistens sieghaft,
dieser Blondkopf mit dem Mädchenantlitz mir entgegen. Er hat mir meinen Liebling und mein Rom undzuletzt noch meinen edeln Pluto genommen: wie Piso erzählt, fanden sie, den Reiter verfolgend, das Roß, wo es Syphax geborgen
am Tiber: und der Barbar hat von aller römischen Beute nur das ›Roß des Präfecten‹ für sich genommen. Schleudre ihn doch,
mein Pluto, kopfüber, und zerstampfe ihm mit den Hufen das Hirn.«
»Du hassest heiß!«
»Ja, diesen hass’ ich nicht nur aus Vernunft: aus angeborner Feindschaft der Natur. Als ich ihm das Forum Romanum räumen mußte,
hab’ ich’s ihm gelobt: er stirbt von meiner Hand. Aber«, schloß er, sich beruhigend, »wann? wann? Wann find’ ich das Mittel,
diesen trägen Coloss, den man Justinianus, den Kaiser der Romäer nennt, auf das Gotenreich zu stürzen? Wann ruft das Schicksal
wieder mit ehernem Tubaton mich auf mein großes Schlachtfeld Italien?«
Da drängte sich eilfertig Syphax durch die Vorhänge des Gemachs.
»Herr«, sprach er, sich neigend, »ich heische Botenlohn. Es hat irgendwo gewittert:– es zieht wohl rasch gegen diese Stadt.
Es braut und spinnt was in der Luft. Im goldnen Palast ist geschäftige, unheimliche Bewegung. Wachen sind an alle Tore geschickt,
eintreffende Boten sogleich in geschlossnen Sänften zum Kaiser zu führen. Die Boten sollen mit niemand sprechen. Und soeben
gab in deinem Hause ein goldgleißender Sklave diesen Brief ab – von der Kaiserin.«
Hastig riß Cethegus die Purpurschnüre hinweg von dem Siegel, der
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