Ein Kampf um Rom
von Kypros
nach Golgatha.«
»So weißt du nicht«, fiel Prokop ein, »was außer Justinian und dir – verzeih: Rom geht vor Byzanz: was außer dir und Justinian
– das ganze Ostreich weiß? Die schöne Kaiserin ist krank, ist innerlich verzehrt von einem furchtbaren Leiden. Du staunst?
Ja, sie erträgt nicht nur, sie verbirgt es auch mit unerreichter Willenskraft vor Justinian. Denn dieser größte und kleinste
aller Selbstlinge haßt die Kranken: er kann nichts in seiner Nähe haben, was an Leiden und Sterben mahnt. So gewaltig ihn
die Kaiserin beherrscht,– ich bin gewiß, entdeckte er ihr Leiden, er schickte sie, zärtlich besorgt, zur Heilung in die fernste
Stadt des Reiches. Hat er es doch mit Germanus ähnlich gemacht, den er aufrichtig geliebt. Darum trägt die Kaiserin Höllenqualen
mit lächelndem Munde. Furchtbar sollen ihre Nächte sein. Aber bei Tage, in der Nähe des Kaisers, an der Tafel, in der Kirche,
bei den Circusfesten birgt sie ihre Schmerzen mit übermenschlicher Kraft. Auch ihre Schönheit hat kaum merklich gelitten.
Denn unerschöpflich ist das Arsenal ihrer Schönheitskünste.Nur noch zarter ist sie geworden. Aber fast noch gewaltiger an beherrschendem Geist.«
»Ein wunderbares Weib.«
»Ja, und so sehr sie im kleinen ihre Listen und Ränke pflegt:– in großen Dingen, in Fragen des Staats läßt sie nie von ihrer
Überzeugung.«
»Nie. Oder doch nur schwer. Schon wollte der Kaiser die Friedensvorschläge der Goten annehmen: Cassiodorius und:– ein andrer
sollten siegen über mich.– Theodora sprach nicht für den Krieg – und alles schien für mich verloren. Da fiel mir noch im letzten
Augenblick ein, auf ihre Frömmigkeit zu wirken. Ich erfuhr durch sie selbst, daß Justinian die beiden Gesandten zu günstigem
Bescheid in den Palast berufen.
Am gleichen Mittag eilte ich zu ihr und sprach: ›Du bauest den Heiligen neue Kirchen mit allem deinem Golde. Du kannst doch
höchstens noch hundert bauen. Und trittst du Italien den Goten ab, so entreißest du für immer mehr als tausend Kirchen Christus,
dem Gottessohn, und überweisest sie seinen verhaßten Feinden, den arianischen Ketzern. Glaubst du, das wiegen deine hundert
Bauten auf?‹ Das wirkte. Erschrocken sprang sie von dem Lager auf und rief: ›Nein, das ist eine Sünde, die ich nicht begehen
will! Sind wir zu schwach, jene Kirchen den Ketzern zu entreißen, wollen wir doch nimmermehr sie ihnen ausdrücklich zuerkennen.
Niemals darf der Kaiser ihnen Italien friedlich überlassen. Danke dir, Cethegus: manche gemeinsame Sünde unsrer Jugend werden
uns die Heiligen vergeben, weil du mich abgehalten von dieser schwersten Sünde.‹ Und sie lud ihren Gemahl zu sich zur Tafel:
und unter ihren Blumen, Gebeten und Küssen entbrannte Justinianus für die Sache Christi, verwarf die Friedensvorschläge, und
der weise Cassiodorius zog unverrichteter Dinge ab. Der Friede ist verhütet. Den Krieg sofort zu erzwingen hab’ ich noch kein
Mittel. Aber ich werde es finden. Denn Rom muß frei werden von den Barbaren.«
Und ruhig hielt Cethegus inne, ergriff den Becher und trank: aber in ihm loderte tiefverhaltne Leidenschaft.
Achtes Kapitel
Prokopius legte ihm die Hand auf die Schulter und sprach:
»Höre, Cethegus, ich staune. Ich staune, daß in unsrer Zeit des Niedergangs in einer Mannesbrust noch solche Kraft wohnt.
Und solches Feuer glüht für ein hohes, uneigennütziges Ziel, wie die Freiheit Roms. Sei dieses Ziel immerhin, wie ich glaube,
ein glänzendes Traumbild. Und weil dies Ziel nicht ein selbstisches:– darum verzeihe ich dir die mancherlei krummen, dunkeln
Pfade, auf denen du gewandelt bist. Und andre Leute, wie zum Beispiel Belisar und mich, hast wandeln lassen, durch Arglist
und Frevel hindurch. Von dem Tag an, da ich dein Ziel als ein selbstisches erkennen müßte – bei aller Bewunderung deines Geistes,
deiner Kraft –, ich müßte dir die alte Freundschaft künden.«
Cethegus aber lachte. »Hör’ ich noch immer aus deinem Mund die halb platonische, halb christliche Ethik, wie in der Schule
zu Athen! Alter Zögling du des Kaiserhofes und des Feldlagers – hast du noch immer diese Mädchenmoral? Selbstisch – Unselbstisch! Was, wer ist denn unselbstisch? Wer kann es sein? Jeder will in jedem Augenblick, was er wollen muß. Ob ich
der Befreier Roms werden will oder etwa sein Tyrann –: beides ist gleich selbstisch. Denn die Liebe ist die größte,
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