Ein Kampf um Rom
Bleibe fest: laß dich von den Trümmern
des goldnen Tors begraben, sprengt es des wüt’gen Goten Beil. Aber stirb als Kaiser. Befleckt ist dieser Purpur von maßloser
Frechheit der Germanen. Hier werf ’ ich ihn von mir, und ich schwör’s, bei der heiligen Weisheit Gottes: nicht eher wieder
leg’ ich ihn an, bis kein Gote mehr auf dieses Reiches Boden steht.«
Und sie riß den Purpurmantel ab und schleuderte ihn auf die Stufen des Thrones: dann aber, tieferschöpft, war sie im Begriff,
auf den Sitz zurückzusinken. Justinianus aber fing sie auf in seinen Armen und drückte sie an seine Brust.
»Theodora«, rief er mit leuchtenden Augen, »mein herrlich Weib! Du brauchst keinen Purpur um die Schultern: dein Geist ist
in Purpur gekleidet. Du allein verstehst Justinianus. Krieg und Verderben den Barbaren!«
Schrecken und Staunen befiel die bebenden Senatoren bei diesem Schauspiel.
»Ja«, sprach der Kaiser, zu diesen gewendet, »weise Väter, diesmal waret ihr allzu klug, um weise, um Männer zu sein. Wohl
ist es eine Ehre, der Nachfolger Constantins zu heißen. Aber keine Ehre ist es, euer Herr zu sein. Recht haben, fürcht’ich, unsre Feinde: nur den Namen, die tote Mumie Romas hat Constantin hierherverpflanzt: die Seele Romas war bereits entflohn.
Weh’ um dies Reich! Wär’ es frei, wär’ es Republik – es wäre heute versunken in Schande. Einen Herrn muß es haben, der es,
wie ein faules Roß, aus dem Sumpf, darin es zu versinken droht, emporreißt, ein scharfer Reiter mit Peitsche, Zügel und Sporn.«
Da drängte sich durch die Eingangstüren ein kleiner, gebückter Mann, auf eine Krücke gestützt, und hinkte durch den Saal bis
vor den Thron.
»Kaiser der Romäer«, hob er an, von seiner Proskynese sich erhebend, »auf meinem Schmerzenslager erreichte mich dunkle Kunde,
von dem, was die Barbaren gewagt, von dem, was hier entschieden werden soll in dieser Stunde. Da raft’ ich mich empor und
schleppte mich mühsam hierher: denn ich muß es erfahren, durch Ein Wort deines Mundes, ob ich von jeher ein Narr gewesen,
daß ich dich, trotz vieler Kleinheiten, für einen großen Herrscher hielt? ob ich deinen Feldherrnstab in den tiefsten Brunnen
werfen muß, oder ob ich ihn noch tragen kann mit Ehren? Sprich nur Ein Wort. Krieg oder Friede?«
»Krieg, Magister Militum!« sagte Justinian, und sein Antlitz strahlte.
»Sieg, Justinianus«, rief der Feldherr und warf die Krücke weg. »O laß mich deine Hand küssen, Imperator.« Und er hinkte die
Stufen des Thrones hinauf.
»Aber Patricius«, höhnte Theodora, »du bist ja auf einmal ein Mann? Du warst ja immer gegen den Gotenkrieg. Hast du plötzlich
Sinn für Ehre?«
»Was Ehre!« rief Narses. »Dieser bunten Seifenblase mag Belisarius, das große Kind, nachlaufen. Nicht die Ehre: das Reich
steht auf dem Spiel. Solang ernste Gefahr vom Osten drohte, riet ich zum Perserkrieg. Von den Goten drohte nichts. Nun aber
haben deine Frömmigkeit, o Kaiserin, und des Belisarius Heldenschwert so lang in dies Hornissennest gestochen, bis uns der
Schwarm gefährlich um das Antlitz fliegt. Jetzt droht die Gefahr dringend, brennend von dort: und Narses rät zum Gotenkrieg.
Die Goten stehen näher bei Byzanz, als Chosroësunsrer Ostgrenze steht. Wer, wie dieser Totila, ein Reich aus dem Abgrund zieht, kann viel leichter ein andres in den Abgrund
stürzen. Dieser junge König ist ein Wundertäter, dem man beizeiten die Mirakel legen muß.«
»Diesmal erlebe ich«, sprach Justinian, »die seltne Freude, daß meine Kaiserin und Narses Eines Sinnes sind.«
Und er war im Begriff, die Versammlung zu entlassen.
Da ergriff die Kaiserin seinen Arm: »Halt«, sprach sie, »mein Gemahl. Ich habe mir heute zum zweiten Mal die Ehre erworben,
dein bester Berater zu sein. Nicht wahr? Wohlan, so höre mich weiter und folge auch meinem weitern Rat. Halte diese ganze
weise Versammlung, außer Narses, bis morgen im Palast gefangen. Zittert nicht, ihr Illustrissimi: es gilt diesmal nicht das
Leben. Aber ihr könnt nicht schweigen, ausgenommen mit abgeschnittnen Zungen. Dies Mittel mag für diesmal durch Einsperrung
ersetzt werden. Es besteht eine Verschwörung wider dein Leben oder doch wider deine freien Entschlüsse, Justinianus. Man wollte
dich zum Kriege mit den Goten zwingen. Dieser ist nun zwar beschlossen. Aber heute in der Nacht oder morgen früh schon bricht
die Verschwörung los: es gilt, die Verschwornen gewähren zu
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