Ein Kampf um Rom
Tribunen in die Stadt zu werfen, so stand der Präfect Narses noch viel günstiger gegenüber als
je Belisar, mit welchem er sich in den Besitz der Stadt hatte teilen müssen.
Einer der Boten, welche die Nachricht aus Rom überbrachten, gab zugleich dem als Geisel behaltnen Aulus einen Brief der beiden
Centurionen, der Brüder Macer, welcher besagte: »Die Braut ist der langen Krankheit genesen: sobald der Bräutigam kommen will,
steht der Hochzeit nichts mehr entgegen von den nächsten Iden an: komm, Aulus.« Es waren die verabredeten Worte. Cethegus
teilte sie seinen römischen Rittern mit.
»Wohlan«, sagte Licinius entschlossen, »so werd’ ich denn die Stätte mit einem Denkstein schmücken können, wo mein Bruder
für Rom und für Cethegus fiel.«
»Ja, unverjährbar ist der Römer Recht auf Rom«, fiel Salvius Julianus ein.
»Nur sorge, Präfect«, mahnte Piso, »daß dem größten Krüppel aller Zeiten unser Abmarsch so lang verborgen bleibt, bis eruns nicht mehr einholen kann: wenn wir heimlich, gegen seinen Willen, aufbrechen sollen.«
»Nein«, sprach Cethegus, »das sollt ihr nicht. Ich habe mich überzeugt, daß weit über unsre Stellungen auf dem linken Flügel
hinaus der vorsichtigste aller Helden noch Vorposten aufgestellt – seine langobardischen Wölflein, die er überall verteilt
hat: was wir für
unsere
Vorposten hielten, ist umsäumt von
seinen
Vorposten. Weder mit Gewalt noch mit Täuschung könnt ihr euren Abzug ohne seinen Willen bewirken. Es ist auch weit klüger,
offen zu handeln. Wenn er will, kann er es vereiteln: und er erfährt es doch. Aber er wird nichts dagegen haben – ihr werdet
es erfahren –: ich künde ihm meinen Entschluß an, und ihr werdet sehen: er heißt ihn gut.«
»Feldherr, das ist sehr gewagt, sehr groß.«
»Es ist das einzig Mögliche.«
»Ja, du hast recht, wie immer, o Cethegus«, stimmte nach einigem Besinnen Salvius Julianus bei. »Gewalt und Täuschung sind
unmöglich. Und willigt er ein, dann will ich gern gestehn, daß meine Besorgnisse –«
»Auf Überschätzung des
Staatsmannes
Narses beruhten. Euch haben die dicken Zahlen eingeschüchtert: und die freilich gar nicht zu überschätzende
Feldherrngröße
des Kranken. Ja, ich gestehe es: vor Taginä sah es gewitterschwül aus –: aber da ich noch lebe, waren jene Annahmen – Irrtümer. Ich schicke euch beide selbst sofort mit meiner Anfrage an Narses: ihr seid mißtrauisch: ihr werdet scharf beobachten.
Geht, sagt ihm: die Römer wollten mich, den Stadtpräfecten, jetzt schon, noch vor Vernichtung der Goten Tejas, in ihre Mauern
lassen. Ich ließe ihn fragen, ob er verstatten wolle, daß ihr mit meinen Isauriern sofort nach Rom abzöget, oder ob er darin
eine Verletzung unsres Übereinkommens erblicke: ohne seinen Willen würden die Isaurier und ich nicht aufbrechen.«
Die beiden Tribunen schieden, und Piso lachte im Hinausschreiten aus dem Zelt des Präfecten: »Länger hat euren Geist die Krücke
des Narses als meine Finger der Knüttel des Hirten unbrauchbar gemacht.«
Als sie draußen waren, eilte Syphax auf seinen Herrn zu:
»O Herr«, sprach er ängstlich, »mißtraue diesem Kranken mit dem ruhigen, durchdringenden Auge. Ich habe in letzter Nacht wieder
das Schlangenorakel gefragt: die abgestreifte Haut meines Gottes, in zwei Hälften geteilt, auf Kohlen gelegt – das Stück ›Narses‹
überlebte das Stück ›Cethegus‹ lange, lange. Soll ich nicht noch einmal versuchen? – du weißt, ein Hautritz mit diesem Dolch,
und er ist verloren. – Was liegt daran, wenn sie dann Syphax pfählen, des Hiempsal Sohn.– Mit List geht es nicht:– der Langbärte
Fürst schläft in seinem Zelt, das Feldbett quer vor den Eingang gerückt, und sieben seiner ›Wölflein‹ liegen auf der Schwelle.
Die Heruler stehn Wache vor der Tür. Ich habe, deinem Wink gemäß, seit Helvillum alle Nachtlager ausgespäht: kaum eine Stechfliege
entgeht den Herulern und Langobarden, fliegt sie ins Zelt. Aber offen, bei Tage, einen Sprung in seine Sänfte – eine Hautwunde,
und er ist ein toter Mann in einer Viertelstunde.«
»Und noch vorher nicht nur Syphax, des Hiempsal Sohn,– auch Cethegus. Nein. Aber höre: ich habe entdeckt, wo der Feldherr
seine Geheimgespräche mit Basiliskos, auch mit Alboin, hält. Nicht im Zelt – das Lager hat tausend Ohren –, im Bade. Die Ärzte haben ihm ein Morgenbad im Meeresschlamm im Golf von Bajä verordnet: eine
Weitere Kostenlose Bücher