Ein Kampf um Rom
uns die Römer nicht freiwillig ein, so seien siebentausend Mann doch
gewiß zu schwach, die Stadt zu stürmen. Das schien ihm einzuleuchten. Er verlangte nur das Versprechen, daß wir, wenn nicht
freiwillig eingelassen, nicht Gewalt versuchen, sondern dann sofort hierher zurückkehren würden.«
»Das glaubten wir in deinem Namen versprechen zu dürfen«, ergänzte Julianus.
»Ihr durftet«, lächelte Cethegus.
»›Gut‹, sagte Narses, ›von mir aus steht nichts im Wege, wenn euch die Römer aufnehmen.‹ Und – so völlig harmlos ist er«,
fuhr Licinius fort,– »daß er auch deine Person nicht als Geisel behalten zu wollen schien, denn er fragte: ›wann will der
Präfect aufbrechen?‹ Er setzte also voraus: du führtest selber die Isaurier nach Rom! Und auch dawider hat er nichts! Er war
sichtlich erstaunt, als ich entgegnete: du zögest vor, hier den Untergang der Goten mit anzusehen.«
»Nun, wo ist er denn, dieser schreckliche Narses, der überlegne Staatsmann? Auch mein Freund Prokop hat ihn arg überschätzt,
als er ihn mir einmal ›den größten Mann der Zeit‹ nannte.«
»Der größte Mann der Zeit heißt:– – anders!« rief Licinius.
»Prokop natürlich muß seines Belisars überlegnem Feinde die Palme zuerkennen vor allen Erdensöhnen. Aber diesen plumpsten
Schnitzer des ›größten Mannes‹, mich freiwillig nach Rom zu lassen, sollte man fast benützen«, fuhr Cethegus nachsinnend fort.
»Die Götter könnten zürnen, wenn wir solche Mirakel der Verblendung, die sie für uns vollbringen, nicht nützen. Ich ändre
meinen Entschluß:– mich zieht es nach dem Capitol – ich gehe mit euch nach Rom. Syphax, wir brechen auf, sogleich – sattle
mein Roß.«
Da gab Syphax seinem Herrn einen warnenden Wink.
»Verlaßt mich, Tribunen«, sprach Cethegus. »Gleich ruf ’ ich euch wieder.«
»O Herr«, rief Syphax eifrig, als beide allein waren, »nur heute gehe noch nicht. Sende jene voraus. Morgen früh angle ich
zwei große Geheimnisse aus der See. Ich sprach heute schon, unter seinem Boote durchtauchend, jenen Fischer. Er ist kein Fischer.
Er ist ein Sklave, ein Briefsklave Prokops.«
»Was sagst du?« rief Cethegus rasch und leise.
»Wir konnten nur wenige Worte flüstern. Die Langbärte standen am Ufer, mich beobachtend. Sieben Briefe Prokops, offen und
heimlich geschickt, haben dich nicht erreicht. Drum wählte er diesen klugen Boten. Heute in dieser Nacht fischt er bei Fackellicht
auf Lachse. Dabei wird er mir den Brief Prokops geben. Er hatte ihn heute nicht bei sich. Und morgen früh – heute hemmte die
Krankheit – morgen badet Narses wieder im Meeresschlamm. Ich habe nun einen Versteck im Schilf gefunden, prächtig nahe – und
ich kann pfeifen, wie die Otter, falls sie wirklich Blasen aufsteigen sehen sollten aus dem Wasser. Ich sah die kaiserliche
Post mit dicken Felleisen ankommen: Basiliskos nahm sie in Empfang. Warte nur noch bis morgen früh: gewiß verhandelt Narses
morgen mit ihm und Alboin die neuesten Geheimnisse aus Byzanz. Oder laß mich allein zurück –«
»Nein, das würde dich als Späher sofort kennzeichnen. Du bist mehr wert als zehnfach dein Gewicht in Gold, Syphax. Ich bleibe
bis morgen noch«, rief er den wieder Eintretenden entgegen.
»O Feldherr, komm mit uns«, bat Licinius.
»Fort aus der erdrückenden Nähe dieses Narses«, mahnte Julianus.
Aber Cethegus furchte die hohe Stirn. Ȇberragt er mich noch immer in euren Augen? Der Tor, der Cethegus aus seinem langobardenbewachten
Lager nach Rom entläßt, den Hecht aus seinem Netz ins Wasser wirft! Allzusehr hat er euch eingeschüchtert! Morgen abend folg’
ich euch. Ich habe hier noch ein Geschäft, das nur ich verrichten kann. Rom ohne Widerstand besetzen, das könnt ihr auch ohne
mich. Ich holeeuch aber gewiß unterwegs schon bei Terracina ein. Wenn nicht, rückt ruhig in Rom ein: du, Licinius, wahrst mir das Capitol.«
Mit leuchtenden Augen erwiderte Licinius: »Hoch ehrst du mich, mein Feldherr! Mit meinem Herzblut steh’ ich dir dafür ein.
Darf ich eine Bitte wagen?«
»Nun?«
»Setze dich nicht wieder so tollkühn dem Speerwurf des Gotenkönigs aus! Vorgestern warf er zwei Speere zugleich gegen dich:
mit der Linken und mit der Rechten. Wenn ich nicht mit dem Schilde den aus der linken Hand gefangen –«
»Dann, mein Licinius, hätte ihn der Jupiter des Capitols von mir hinweggeblasen. Denn er braucht mich noch! Aber du meinst
Weitere Kostenlose Bücher