Ein Kampf um Rom
welchem man zu jenem Paß emporstieg, hatte nun Narses mit den Langobarden sein Lager aufgeschlagen,
ihm zur Rechten Johannes, ihm zur Linken Cethegus. Der Präfect hob es seinen Tribunen hervor, daß Narses durch Überlassung
dieses Platzes – Cethegus hatte ihn selbst gewählt – entweder einen Beweis großer Unvorsichtigkeit oder voller Harmlosigkeit gegeben hatte:
»Denn«, sagte er, »damit ließ er mir den Weg nach Rom, den er mir durch Zuteilung des rechten Flügels oder des Mitteltreffens
verlegt hätte. Haltet euch bereit, sowie der Wink aus der Stadt eintrift, mit allen Isauriern nachts heimlich nach Rom zu
eilen.«
»Und du?« fragte Licinius besorgt.
»Ich bleibe hier, bei dem Gefürchteten! Hätte er mich morden wollen – längst hätte er es gekonnt. Er will es offenbar nicht.
Er will nicht ohne Rechtsgrund gegen mich handeln. Und folge ich dem Ruf der Römer, so erfülle ich, breche nicht unsere Übereinkunft.«
Sechstes Kapitel
Oberhalb des Engpasses am Vesuv, den wir die Gotenschlucht nennen mögen, wölbte sich eine schmale Höhlung in den schwarzen
Lavafels: in ihren Tiefen hatte König Teja die heiligen Schätze des Volkes – den Königsleichnam und den Königshort – geborgen.
Theoderichs Banner war vor der Mündung aufgesteckt. Ein purpurner Königsmantel, an vier Speeren aufgespannt, bildete den dunkelglühenden
Vorhang des Felsgemachs, wo der letzte Gotenkönig seine Königshalle errichtet hatte: ein Lavablock, von dem Felle des schwarzen
Tigers bedeckt, war sein letzter Thron.
Hier weilte König Teja, wenn ihn nicht seine eifersüchtig gewahrte Wachtstunde vornhin an die Südmündung der Gotenschlucht
rief, auf welche unaufhörlich, bald von fern mit Pfeilen, Schleudern und Wurfspeeren, bald aus der Nähe in kühnem, plötzlichem
Anlauf die Vorposten des Narses Angriffe unternahmen. Keiner der heldenhaften Wächter kehrte abgelöst heim, der nicht an Schild
und Harnisch Spuren solcher Angriffe mitbrachte: oder sie zurückließ vor dem Eingang:– in Gestalt erschlagner Feinde. So häufig
begegnete dies, daß die Verwesung der Erschlagnen – denn diese fortzutragen wagte niemand – den Aufenthalt an dem Paßeingang
unmöglich zu machen drohte.–
Narses schien hierauf gezählt zu haben. Als Basiliskos diese nutzlosen Opfer beklagte, hatte er entgegnet: »Sie nützen vielleicht
nach ihrem Tode mehr als in ihrem Leben.«
Aber König Teja befahl, zur Nacht die Leichen über das schroffe Lavageklippe zu werfen, so daß sie, grauenhaft zerrissen,
von der Nachfolge hinwegzuschrecken schienen. Da erbatNarses eilfertig die Gunst, die Erschlagnen durch Unbewaffnete abholen lassen zu dürfen, was der König gewährte.
Seit dem Rückzug in diese Schlucht hatten die Goten noch nicht Einen Mann im Kampf verloren: denn nur der vorderste im Engpaß
war den Feinden erreichbar: und dieser Wächter, unterstützt von den hinter ihm stehenden Genossen, war noch nie erlegt worden.
Eines Abends, nach Sonnenuntergang – es war nun September und die Spuren des Kampfes von Taginä schon fast getilgt: die Blumen,
welche Cassiodorius und die Religiosä des Klosters neben den drei Sarkophagen des Königs, seiner Braut und seines Freundes
angepflanzt, hatten schon frische Keime getrieben – schritt König Teja, abgelöst von Wisand, dem Bandalarius, den Speer auf
der Schulter, nach seiner Lavahalle. Vor dem Vorhang schon empfing ihn Adalgoth, ihm, wehmütig lächelnd, kniend den hohen
Goldpokal kredenzend.
»Laß mich immerhin noch meines Mundschenkamtes warten:– wer weiß, wie lang’s noch währt.«
»Nicht lange mehr!« sprach Teja ernst, sich niederlassend.
»Wir wollen hier außen bleiben, vor dem Vorhang. Sieh, wie prachtvoll die ganze Bucht von Bajä bis Surrentum im Schimmer der
eben versunknen Sonne glüht – das blaue Meer ward purpurfarben Blut. Wahrlich, keinen schöneren Rahmen konnte das Südland
gewähren, die letzte Schlacht der Goten drein zu fassen. Wohlan, das Bildnis sei des Rahmens wert. Es drängt zum Ende. Wie
sich nun alles erfüllt hat, was ich geahnt – geträumt – gedichtet.«
Und der König stützte das Haupt auf beide Hände. Er sah erst wieder auf, als ein silberner Harfenklang ihn weckte. Adalgoth
hatte verstohlen des Königs kleine Harfe hinter dem Vorhang herausgelangt.
»Horch«, sagte er, »wie ich – oder wie sich selbst – dein Lied von der Lavaschlucht vollendet hat. Gedenkst du noch der Nacht
zu
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