Ein Kampf um Rom
sich das Brausen der Stimmen, und im Augenblick war Cethegus, ohne Anwendung bestimmter Gewalt, von dem Andrang
der Masse wie von unwiderstehlicher Meeresflut bis weit in den Hintergrund des Saales zurückgeschoben, und die Vordersten
im Zuge standen dicht vor dem Thron. Es waren Hildebrand, Witichis, Teja, ein baumlanger Gote, den Cethegus nicht kannte,
und neben ihm – es litt keinen Zweifel – die drei Herzöge Thulun, Ibba und Pitza, in voller Rüstung, drei prachtvolle Kriegergestalten.
Die Eingedrungnen neigten sich vor dem Thron. Dann rief Herzog Thulun nach rückwärts gewendet mit der Handbewegung eines gebornen
Herrschers:
»Ihr, gotische Männer, harret noch draußen eine kurze Weile; wir wollen’s in eurem Namen mit der Regentin zu schlichten suchen.
Gelingt es nicht – so rufen wir euch auf zur Tat – ihr wißt, zu welcher.«
Willig und mit Jubelrufen zogen sich die Scharen hinter ihm zurück und verloren sich bald in den Gängen und Hallen des Schlosses.
»Tochter Theoderichs«, hob Herzog Thulun an, das Haupt zurückwerfend, »wir sind gekommen, weil uns dein Sohn, der König, zurückberufen.
Leider finden wir ihn nicht mehr am Leben. Wir wissen, daß du uns nicht gerne hier siehst.«
»Wenn ihr das wißt«, sprach Amalaswintha mit Hoheit, »wiekönnt ihr wagen, dennoch vor unser Angesicht zu treten? Wer gestattet euch, wider unsern Willen zu uns zu dringen?« »Die Not
gebeut es, hohe Frau, die Not, die schon stärkere Riegel gebrochen als eines Weibes Laune. Wir haben dir die Forderungen deines
Volkes vorzutragen, die du erfüllen wirst.« »Welche Sprache! Weißt du,wer vor dir steht,Herzog Thulun?« »Die Tochter der Amalungen,
deren Kind ich ehre, auch wo es irrt und frevelt.«
»Rebell«, rief Amalaswintha und erhob sich majestätisch vom Throne, »dein König steht vor dir.«
Aber Thulun lächelte: »Du würdest klüger tun, Amalaswintha, von diesem Punkt zu schweigen. König Theoderich hat dir die Mundschaft
über deinen Sohn übertragen, dem Weibe,– das war wider Recht, aber wir Goten haben ihm nicht eingeredet in seine Sippe. Er
hat diesen Sohn zum Nachfolger gewünscht, den Knaben – das war nicht klug. Aber Adel und Volk der Goten haben das Blut der
Amalungen geehrt und den Wunsch eines Königs, der sonst weise war. Niemals aber hat er gewünscht, und niemals hätten wir gebilligt,
daß nach jenem Knaben ein Weib über uns herrschen solle, die Spindel über die Speere.«
»So wollt ihr mich nicht mehr anerkennen als eure Königin?« rief sie empört. »Und auch du, Hildebrand, alter Freund Theoderichs,
auch du verleugnest seine Tochter?«
»Frau Königin«, sprach der Alte, »wollest du selbst verhüten, daß ich dich verleugnen muß.«
Thulun fuhr fort: »Wir verleugnen dich nicht – noch nicht. Jenen Bescheid gab ich nur, weil du auf dein Recht pochst, und
weil du wissen mußt, daß du ein Recht nicht hast. Aber weil wir gern den Adel des Blutes ehren – wir ehren damit uns selbst –, und weil es in diesem Augenblick zu bösem Zwiespalt im Reich führen könnte, wollten wir dir die Krone absprechen, so will
ich dir die Bedingungen sagen, unter denen du sie fürder tragen magst.«
Amalaswintha litt unsäglich: wie gern hätte sie das stolze Haupt, das solche Worte sprach, dem Henker geweiht. Und machtlos
mußte sie das dulden! Tränen wollten in ihr Augedringen: sie preßte sie zurück, aber erschöpft sank sie auf ihren Thron, von Cassiodor gestützt.
Cethegus war indessen an ihre andre Seite getreten: »Bewillige alles!« raunte er ihr zu, »’s ist alles erzwungen und nichtig.
Und heute nacht noch kommt Pomponius.«
»Redet«, sprach Cassiodor, »aber schont des Weibes, ihr Barbaren.«
»Ei«, lachte Herzog Pitza, »sie will ja nicht als Weib behandelt sein: sie ist ja unser König.«
»Ruhig, Vetter«, verwies ihn Herzog Thulun, »sie ist von edlem Blut wie wir.«
»Fürs erste«, fuhr er fort, »entläßt du aus deiner Nähe den Präfecten von Rom. Er gilt für einen Feind der Goten. Er darf
nicht die Gotenkönigin beraten. An seine Stelle bei deinem Thron tritt Graf Witichis.«
»Bewilligt!« sagte Cethegus selbst, statt Amalaswinthas.
»Fürs zweite erklärst du in einem Manifest, daß fortan kein Befehl von dir vollziehbar, der nicht von Hildebrand oder Witichis
unterzeichnet, daß kein Gesetz ohne Genehmigung der Volksversammlung gültig ist.«
Die Regentin fuhr zornig auf, aber Cethegus hielt ihren Arm
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