Ein Kampf um Rom
dich.«
»Schweig, Unsinnige.«
»Schweigen? nein, reden will ich und dir fluchen. Oh, wüßt’ ich etwas, das dir wäre, was mir Camilla war! Oh, müßtest du,
wie ich, deines ganzen Lebens letzte, einzige Freude fallen sehen, fallen sehen und verzweifeln. Wenn ein Gott ist im Himmel,
wirst du das erleben.«
Cethegus lächelte.
»Du glaubst an keine Macht im Himmel, die vergelte? wohlan, glaub an die Rache einer jammervollen Mutter! Du sollst erzittern!
ich eile zur Regentin und entdecke ihr alles! Du sollst sterben!«
»Und du stirbst mit mir.«
»Mit lachenden Augen, wenn ich dich verderben sehe.« Und sie wollte hinweg.
Aber Cethegus ergriff sie mit starkem Arm.
»Halt, Weib. Glaubst du, man sieht sich nicht vor mit deinesgleichen? Deine Söhne, Anicius und Severinus, die Verbannten,
sind heimlich in Italien, in Rom, in meinem Hause. Du weißt, auf ihrer Rückkehr steht der Tod. Ein Wort – und sie sterben
mit uns: dann magst du deinem Gatten auch die Söhne, wie die Tochter, als durch dich gefallen zuführen. Ihr Blut über dein
Haupt.«
Und rasch war er, um die Ecke des Ganges biegend, verschwunden.
»Meine Söhne!« rief Rusticiana und brach auf dem Marmorestrich zusammen.
Wenige Tage darauf verließ die Witwe des Boëthius mit Corbulo und Daphnidion den Königshof für immer. Vergebens suchte die
Regentin, sie zu halten. Der treue Freigelassne führte sie zurück auf die verborgne Villa bei Tifernum, welche je verlassen
zu haben sie jetzt tief betrauerte. Sie baute daselbst, an der Stelle des kleinen Venustempels, eine Basilika, in deren Krypta
eine Urne mit den Herzen der beiden Liebenden beigesetzt wurde. Ihre leidenschaftliche Seele verband mit dem Gebet für das
Heil ihres Kindes unzertrennlich die Bitte der Rache an Cethegus, dessen wahre Beteiligung an Camillens Tod sie nicht einmal
ahnte: nur das durchschaute sie, daß er Mutterund Tochter als Werkzeuge seiner Pläne gebraucht und in herzloser Kälte des Mädchens Glück und Leben aufs Spiel gesetzt hatte.
Und kaum minder unablässig als das Licht der daselbst gestifteten ewigen Lampe stieg das Gebet und der Fluch der vereinsamten
Mutter zum Himmel empor.
Die Stunde sollte nicht ausbleiben, die ihr die Schuld des Präfecten ganz enthüllte, und auch die Rache nicht, die sie dafür
vom Himmel niederrief.
Drittes Kapitel
Am Hofe von Ravenna aber wurde ein zäher und grimmiger Kampf geführt. Die gotischen Patrioten, obwohl durch den plötzlichen
Untergang ihres jugendlichen Königs schwer betrübt und für den Augenblick überwunden, wurden doch von ihren unermüdlichen
Führern bald wieder aufgeraft.
Das hohe Ansehen des alten Hildebrand, die ruhige Kraft des zurückberufenen Witichis und Tejas wachsamer Eifer wirkten unablässig.
Wir haben gesehen, wie es diesen Männern gelungen war, Athalarich zur Abschüttlung der Oberleitung seiner Mutter zu verhelfen.
Jetzt gelang es ihnen leicht, unter den Goten immer mehr Anhang zu finden gegen eine Regentschaft, in welcher der ihnen als
Hochverräter verhaßte Cethegus mehr als je in den Vordergrund trat.
Die Stimmung im Heere, in der germanischen Bevölkerung von Ravenna war genügend zu einem entscheidenden Schlage vorbereitet.
Mit Mühe hielt der alte Waffenmeister die Unzufriedenen zurück, bis sie, durch wichtige Bundesgenossen verstärkt, desto sicherer
siegen könnten. Diese Bundesgenossen waren die drei Herzöge Thulun, Ibba und Pitza, welche Amalaswintha vom Hofe verscheucht
und ihr Sohn soeben zurückberufen hatte. Thulun und Ibba waren Brüder, Pitza ihr Vetter. Ein andrer Bruder der ersteren, Herzog
Alarich, war vor Jahren wegen angeblicher Verschwörung zum Tode verurteilt und seit seiner Flucht verschollen. Sie stammten
aus dem berühmten Geschlecht der Balten, das bei den Westgoten die Königskronegetragen hatte und den Amalungen kaum nachstand an Alter und Ansehn. Ihr Stammbaum führte, wie der des Königshauses, bis zu
den Göttern hinauf. Ihr Reichtum an Grundbesitz und abhängigen Colonen und der Ruhm ihrer Kriegstaten erhöhten Macht und Glanz
ihres Hauses.
Man sagte im Volk, Theoderich habe eine Zeitlang daran gedacht, mit Übergehung seiner Tochter und ihres unmündigen Knaben,
im Interesse des Reiches den kräftigen Herzog Thulun zu seinem Nachfolger zu bestellen. Und die Patrioten waren jetzt, nach
dem Tode Athalarichs, entschlossen, für den äußersten Fall, das heißt, wenn die Regentin von ihrem System nicht
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