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Ein Kampf um Rom

Ein Kampf um Rom

Titel: Ein Kampf um Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn
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konntest. Der Schmerz durch dich hat sich bald in Schmerz um dich verwandelt.
    Wollte es mich anfangs kränken, daß du meine tiefste Empfindung als die Schwärmerei eines kranken Knaben behandeltest und
     die Heiligtümer meiner Seele mit bittrem Spott antasten wolltest – nur wolltest, denn sie sind unantastbar, – so ergriff mich
     doch statt dessen bald das Gefühl des Mitleids mit dir.
    Wehe, daß ein Mann wie du, so überreich an Kräften des Geistes, darbet an den Gütern des Herzens. Wehe, daß du die Wonne der
     Hingebung nicht kennst und jene opferfreudige Liebe, welche ein von dir mehr verspotteter als verstandner Glaube, den mir
     jeder Tag des Schmerzes näher bringt, die
caritas
, die Nächstenliebe, nennt: Wehe dir, daß du das Herrlichste nicht kennst!
    Vergib die Freiheit dieser meiner Rede: ich weiß, ich habe noch nie in solchen Worten zu dir gesprochen: aber erst seit kurzem
     bin ich, der ich bin. Vielleicht nicht ganz mit Unrecht hat noch dein letzter Brief Spuren von Knabenhaftigkeit an mir gegeißelt.
     Ich glaube, sie sind seitdem verschwunden, und ein Verwandelter sprech’ ich zu dir.
    Dein Brief, dein Rat, deine »Arznei« hat mich allerdings zum Manne gereift, aber nicht in deinem Sinn und nicht nach deinem
     Wunsch. Schmerz, heiligen, läuternden Schmerz hat er mir gebracht, er hat diese Freundschaft, die er verdrängen sollte, auf
     eine harte Probe gestellt, aber, der Güte Gottes sei’s gedankt, er hat sie im Feuer nicht zerstört, sondern gehärtet für immer.
     Höre und staune, was der Himmel aus deinen Plänen geschaffen hat.
    Wie wehe mir dein Brief getan, in alter Gewohnheit des Gehorsams befolgte ich alsbald seinen Auftrag und suchte deinen Gastfreund
     auf, den Purpurhändler Valerius Procillus. Er hatte bereits die Stadt verlassen und seine reizende Villa bezogen. Ich fand
     an ihm einen vielerfahrnen Mann und einen eifrigen Freund der Freiheit und des Vaterlands: in seiner Tochter Valeria aber
     ein Kleinod. Du hattest recht prophezeit. Meine Absicht, mich gegen sie zu verschließen, zerschmolz bei ihrem Anblick wie
     Nebel vor der Sonne: mir war, Elektra oder Kassandra, Cloelia oder Virginia stehe vor mir. Aber mehr noch als ihre hohe Schönheit
     bezauberte mich der Schwung ihrer unsterblichen Seele, die sich alsbald vor mir auftat.
    Ihr Vater behielt mich sogleich als seinen Gast im Hause, und ich verlebte unter seinem Dach mit ihr die schönsten Tage meines
     Lebens. Die Poesie der Alten ist der Äther ihrer Seele. Wie rauschten die Chöre des Aeschylos, wie rührend tönte Antigones
     Klage in ihrer melodischen Stimme; stundenlang lasen wir in Wechselrede, und herrlich war sie zu schauen, wenn sie sich erhob
     im Schwunge der Begeisterung, wenn ihr dunkles Haar, in freie Wellen gelöst, niederfloß und aus ihrem großen runden Auge ein
     Feuer blitzte nicht von dieser Welt.
    Und was ihr vielleicht noch tiefen Schmerz bereiten wird, eine Spaltung, welche durch all ihr Leben geht, gibt ihr denhöchsten Reiz. Du ahnst wohl, was ich meine, da du seit Jahren das Schicksal ihres Hauses kennst. Du weißt wohl genauer als
     ich, wie es kam, daß Valeria schon bei ihrer Geburt von ihrer frommen Mutter einem ehelosen, einsamen Leben in Werken der
     Andacht geweiht, dann aber von ihrem reichen und mehr römisch als christlich gesinnten Vater um den Preis einer Kirche und
     eines Klosters, die er baute, losgekauft worden ist.
    Aber Valeria glaubt, daß der Himmel nicht totes Gold nehme für eine lebendige Seele: sie fühlt sich der Bande jenes Gelübdes
     nicht ledig, deren sie ewig, aber nur in Furcht, nicht in Liebe, gedenkt. Denn du hattest recht, als du schriebst: sie sei
     durch und durch ein Kind der alten, der heidnischen Welt.
    Das ist sie, die echte Tochter ihres Vaters: aber doch kann sie der frommen Mutter entsagend Christentum nicht abtun: es lebt
     nicht in ihr als ein Segen, es lastet auf ihr als ein Fluch, als der unentrinnbare Zwang jenes Gelübdes. Diesen wundersamen
     Zwiespalt, diesen verhängnisvollen Widerstreit trägt die edle Jungfrau im Gemüt: er quält sie, aber er veredelt sie zugleich.
     Wer weiß, wie er sich lösen wird? der Himmel allein, der ihr Schicksal lenkt. Mich aber zieht dieser innere Kampf mit ernsten
     Schauern an: du weißt ja, daß in mir selbst der Christenglaube und die Philosophie in ungeklärter Mischung durcheinanderwogen.
    Zu meinem Staunen hat in diesen Tagen des Schmerzes der Glaube zugenommen, und fast will mich bedünken, die

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